Machtlos
ist?, hatte er Omar al-Almawi gefragt.
Statt einer Antwort war der alte Mann aufgestanden und in den Nebenraum gegangen. Als er wiedergekommen war, hatte er einen Zeitungsausschnitt in der Hand gehalten und ihn vor Marc auf den Tisch gelegt. Er zeigte die Abbildung dreier Männer semitischer Herkunft, westlich gekleidet in Anzügen und Krawatten. Omar al-Almawi hatte auf den Mann in der Mitte getippt. »Mahir Barakat ist vor zwei Wochen bei einem Zwischenstopp in Athen verhaftet worden. Angeblich hat er Kontakte zu al-Qaida.« Er war schwerfällig auf seinen Stuhl gesunken. Er soll auch in den Anschlag von Kopenhagen verwickelt sein, hatte er hinzugefügt. Das werden Sie nirgendwo in den Zeitungen finden, aber …
Al-Qaida. Marcs Herz hatte plötzlich schneller geschlagen. Ich nehme an, das ist der Mann aus Noors Bekanntenkreis, von dem Sie bereits gesprochen haben, hatte er festgestellt und das Bild genauer betrachtet. Mahir Barakat war ein hochgewachsener, gutaussehender Mann, der selbstbewusst in die Kamera blickte. Marcs gängiges Bild islamischer Terroristen sah anders aus. Nicht so clean und nicht so – amerikanisch.
Was für eine Beziehung hatte Noor zu ihm, hatte er fragen wollen, aber ein Blick in die Gesichter von Noors Eltern hatte ihn eines Besseren belehrt.
Noor und Mahir sind nicht die Einzigen, die verhaftet wurden, hatte Noors Vater gesagt. »In Ägypten …«
»Noor ist keine Terroristin«, war Sabirah al-Almawi ihrem Mann ins Wort gefallen. »Aber jemand nutzt diese Gelegenheit, um sie loszuwerden.«
Marc hatte überrascht aufgesehen. Noors Mutter hatte sich bis jetzt nicht an ihrem Gespräch beteiligt. Wer könnte ein Interesse daran haben, Noor zu beseitigen, hatte er sie gefragt.
Mit kaltem Blick hatte Sabirah al-Almawi erwidert: Glauben Sie, dass wir als Frauen in der arabischen Welt ungestraft mehr Rechte für uns fordern und gegen Kinderehen und Ehrenmorde kämpfen können? In den Augen der Fundamentalisten ist Noor eine westliche Hure, die sie am liebsten lebendig begraben und steinigen würden.
Aber was hat Valerie mit alldem zu tun?, hatte er sie gefragt. Warum sie? Sie kennt diese Menschen nicht einmal.
Omar al-Almawi hatte eine seiner buschigen Brauen hochgezogen und geantwortet. Ihre Frau war dort. Zusammen mit Noor.
In der Dunkelheit seines Schlafzimmers biss sich Marc bei der Erinnerung an diese Worte auf die Lippe. Es stimmte. Valerie war noch im vergangenen Jahr selbst vor Ort gewesen, im Libanon. Und es war nur einer von vielen Besuchen in der Region. Die Stempel in ihrem Reisepass lasen sich wie das Zeugnis einer Wallfahrt durch die arabische Welt. Wenn seine Frau jemals in Israel einreisen wollte, würde sie einen Ersatzpass beantragen müssen. Und wer wusste schon, mit wem sie im Nahen Osten zusammengetroffen war. Was sie tatsächlich dorthin getrieben hatte. Wirklich nur ihre Freundschaft zu Noor? Er kämpfte gegen die Panik an. Die engste Freundin seiner Frau war mit einem angeblichen Terroristen liiert gewesen. Mahir Barakat. Er hatte versucht, etwas über den Mann herauszufinden. Sicherheitshalber in einem Internet-Café. Auf zahlreichen englischsprachigen Seiten fand er Einträge, unter anderem auch das Foto, das ihm Omar al-Almawi in der Zeitung gezeigt hatte. Barakats Familie gehörte zur führenden Elite in Syrien. Ihr Geld hatten sie, wenn man einem drei Jahre alten Bericht aus der
Financial Times
glauben durfte, größtenteils in weltweiten Unternehmensbeteiligungen und einer Fluglinie angelegt. Mahir Barakat hatte in den USA Betriebswirtschaft studiert und nach dem Studium fast fünfzehn Jahre dort gelebt, bevor er vor sechs Jahren in sein Heimatland zurückgekehrt war. Er war der zweitälteste von sechs Geschwistern – vier Söhnen und zwei Töchtern. Er war finanziell unabhängig, erfolgreich und gebildet. Ein Jetsetter. Warum sollte er Waffen für islamische Gotteskrieger schmuggeln? Das ergab keinen Sinn. Andererseits stammte auch Osama bin Laden aus einer angesehenen saudischen Familie, die mit den Amerikanern Geschäfte machte.
Im Internet hatte Marc ein Bild Barakats gefunden, das ihn zusammen mit Noor al-Almawi auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung zeigte. Lange hatte er über der Fotografie gebrütet und auf Noors vertrautes Gesicht gestarrt. Wie half ihm das weiter in Bezug auf Valerie? Er wusste es nicht. Noch nicht. Auf jeden Fall war es besser, selbst aktiv zu sein, als lediglich dazusitzen und darauf zu warten, dass etwas geschah.
Am
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