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Machtlos

Machtlos

Titel: Machtlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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Arm wie eine Zeitung«, fuhr sie fort.
    »Hat er sich bei Ihnen entschuldigt?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Was haben Sie dann gemacht?«
    Ich wollte eigentlich noch ein paar Mülleimer absuchen, aber dann hab ich gesehen, wie er sein Paket in den Eimer bei der Rolltreppe fallen ließ.«
    »Was hat Sie daran gestört?«
    »Na, die Art, wie er es fallen ließ. Er hat sich im Vorbeigehen leicht über den Mülleimer gelehnt und einfach nur den Arm vom Körper abgespreizt, und dann ist das Paket in den Mülleimer gerutscht.« Sie stand auf und führte ihm die Bewegung umständlich vor. »Ich hab mich gefragt, warum er das macht. Es sah so merkwürdig aus. So schmeißt man doch nichts weg, außer man will es nicht anfassen.«
    Mayer nickte langsam. »Haben Sie daraufhin den Mann vom Sicherheitspersonal angesprochen?«
    »Ja, aber der hat mir wie immer nicht geglaubt. Der hat mich nur gefragt, ob ich schon wieder Gespenster sehe. Wissen Sie, manchmal passiert mir das, das weiß ich ja selbst, aber in diesem Fall …«
    »Wie haben Sie ihn denn überzeugt?«
    »Ich hab ihm vorgeschlagen, dass er hingeht und nachsieht.«
    Plötzlich füllten Tränen ihre blassblauen Augen, und sie sackte wieder in sich zusammen. »Und jetzt ist der Bahnhof kaputt. Jetzt kann mich der Hermann hier nicht mehr finden …«
    »Wer ist Hermann?«
    Sie zog ein Taschentuch aus ihrer Tasche, dem der intensive Geruch von Kölnisch Wasser entstieg, und schnäuzte sich die Nase. »Der Hermann ist mein Mann. Wir wollten uns hier treffen, deshalb komme ich jeden Tag und warte auf ihn …«
    Wie Mayer später erfuhr, war Hermann Altmann in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs gefallen. Ihre fortschreitende Demenz ließ Edith Altmann die Gegenwart zugunsten der Vergangenheit immer häufiger vergessen. Aber ihr Misstrauen und ihr Verfolgungswahn hatten Hunderte von Menschenleben gerettet.
    »Frau Altmann, Sie haben uns sehr geholfen«, sagte er und drückte ihre Hand. Ihr dankbares Lächeln rührte ihn seltsam an.
    »Kann ich jetzt nach Hause?«, fragte sie.
    »Wir werden Sie fahren.«
    Sie schüttelte heftig den Kopf. »Das kann ich mir nicht leisten.«
    »Keine Sorge, das kostet Sie nichts.«
    Er fand ein Zivilfahrzeug der Polizei und einen Fahrer. »Sehen Sie zu, dass Sie kein Aufsehen erregen. Ich möchte nicht, dass die Frau den Medien in die Hände fällt«, schärfte er dem jungen Beamten ein, bevor er die Wagentür schloss. Er blickte dem Fahrzeug nach und tastete nach dem Infusionsbeutel an seiner Schulter, der schon an Volumen verloren hatte.
    Als er sich umwandte, sah er Burroughs auf sich zukommen. »Nach den Angaben der alten Dame sind wir die Aufnahmen aus der Überwachungskamera noch einmal durchgegangen.«
    »Und?«
    »Was wir gefunden haben, sollten Sie sich mit eigenen Augen ansehen.«
    Mayer folgte Burroughs zur mobilen Einsatzzentrale, erleichtert, der Kälte zu entkommen.
    »Spielen Sie bitte noch einmal die Sequenz des Überwachungsbandes«, bat Burroughs einen der Techniker.
    Der große Flachbildschirm flimmerte kurz, dann zeigte er in Schwarzweiß ein Standbild der Eingangshalle des Bahnhofs.
    Burroughs griff nach einem Zeigestock, der auf dem Tisch lag, und tippte auf den Bildschirm. »Sehen Sie, hier ist Frau Altmann. Jetzt achten Sie darauf, was gleich passiert.«
    Vor Mayer spulte sich die Szene ab, die Edith Altmann ihm wenige Minuten zuvor geschildert hatte. Sie stand inmitten der hastenden Menschen und zählte ihr Geld, als sie plötzlich von hinten von einem Mann angerempelt wurde. Edith Altmann hatte ihn korrekt beschrieben. Er war groß, dunkelhaarig und trug einen modisch teuren Outdoor-Anorak.
    »Stopp«, rief Burroughs und tippte mit dem Zeigestock auf das Paket, das der Mann unter dem Arm hielt. Mayer nickte.
    Das Band lief weiter. Der mutmaßliche Täter hielt den Kopf gesenkt. Dann war er aus dem Radius der Kamera verschwunden.
    »Er weiß natürlich, wo die Kameras sind«, bemerkte Mayer resigniert.
    »Warten Sie«, Burroughs wandte sich an den Techniker. »Jetzt das Band von oben.«
    Die Einstellung zeigte eins der S-Bahn-Gleise. Das Überwachungsgerät war auf die Rolltreppe gerichtet. Die Zielperson erschien – ohne das Paket. Der Mann hielt den Kopf noch immer gesenkt. Er trat auf den Bahnhof und drehte der Kamera den Rücken zu.
    »Jetzt«, flüsterte Burroughs aufgeregt.
    Der Techniker zoomte sich an den Mann heran, bis dessen Kopf das Bild ausfüllte, und fror das Bild ein. Dann vergrößerte er

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