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Machtlos

Machtlos

Titel: Machtlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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auf Anhieb sympathischer als der hagere Amerikaner.
    Mayer zog zwei Klarsichthüllen aus seinem Ordner und reichte sie Archer, die sich zu ihnen an den Tisch setzte. Im Gegensatz zu Mayer wirkte sie frisch, trotz der frühen Stunde.
    »Wir haben in Kopenhagen am Tatort DNA -Spuren an dem nicht gezündeten Sprengsatz gefunden, die wir zweifelsfrei Abidi zuordnen können. In Abidis Wohnung hat die Polizei Reste von gemahlenem Dünger, Aluminiumpulver und Brennstoff sichergestellt, die zum Bau der Bomben verwendet wurden.« Sie legte ein Protokoll der Durchsuchung und der DNA -Analyse vor Valerie auf den Tisch. Beides war in Englisch verfasst. Valerie überflog das Protokoll. Jedes Mal wenn Safwans Name schwarz auf weiß darin auftauchte, meinte sie, es müsse ein Druckfehler sein.
    Als Valerie die Unterlagen sinken ließ, reichte Archer ihr eine Fotografie. Sie zeigte die Reflexion eines Gesichtes im Glas einer Anzeigentafel. Safwans Gesicht. »Diese Aufnahme wurde gemacht, kurz nachdem Abidi das Paket mit dem Sprengsatz am Dammtorbahnhof deponiert hat«, sagte Archer. »Es stammt von der Überwachungskamera auf dem S-Bahn-Gleis des Bahnhofs.«
    Stille breitete sich im Raum aus.
    »Wir können Sie nicht zwingen, uns zu helfen«, fuhr Archer nach einer Weile fort. »Die Operation ist nicht ungefährlich, und wir können nicht in jeder Phase für Ihre Sicherheit garantieren.«
    Valerie sah erneut auf das Foto, das vor ihr auf dem Tisch lag. Etwas war anders in Safwans Gesicht. Ein Zug lag darin, der ihr fremd war, aber sie konnte die Veränderung nicht greifen.
    Safwan war bereits als Kind palästinensischer Flüchtlinge im Libanon gelandet. Fleiß und Beharrlichkeit und einige grenzüberschreitende verwandtschaftliche Beziehungen hatten ihm den fast unmöglichen Weg aus dem Lager Nahr al-Bared an eine amerikanische Elite-Universität geöffnet, wo Valerie ihn während ihrer Studienjahre in den USA flüchtig kennengelernt hatte. Er war ein enger Freund Mahirs. Durch ihn hatten sie sich Jahre später zufällig wieder getroffen. Mahir hatte ihn eines Abends mitgebracht zu einem gemeinsamen Essen. Valerie runzelte die Stirn. Noor hatte nie darüber gesprochen, warum sie sich vor einem Jahr von Mahir getrennt hatte …
    Über den Tisch hinweg begegnete Valerie Mayers Blick. Er sah sie so durchdringend an, als wüsste er, was in ihr vorging, als spürte er ihren inneren Kampf, ihren Zwiespalt.
Verantwortlich für den Tod von mehr als fünfzig Menschen.
Menschen veränderten sich. Drei Jahre waren eine lange Zeit in einem Land, das von Unsicherheit und Kriegen zerrüttet war.
    * * *
    Burroughs hatte genug gesehen und gehört. Mit einem kurzen Nicken in die Runde verließ er den Raum. Es ärgerte ihn, dass Archer ihn ausgebootet und damit Erfolg gehabt hatte. Aber letztlich zählte allein das Ergebnis. Hatten sie Weymann tatsächlich geknackt? Ganz mochte er noch nicht daran glauben. Sie war zäh, und sie wusste genau, was sie wollte. Dennoch lief im Grunde alles nach Plan. Wenn sie Abidi erst hatten, würde er reden, und alles würde sich fügen.
     
    Allmählich spürte Burroughs, dass er seit vierundzwanzig Stunden auf den Beinen war. Seine Schläfen pochten, und bei dem bloßen Gedanken an Kaffee wurde ihm übel. Noch vor ein paar Jahren hatte er solche Tage locker weggesteckt. Wunderbar lebendig hatte er sich gefühlt, wenn er nach Sonnenaufgang in ihre saubere kleine Straße eingebogen und vor der Haustür seiner Tochter begegnet war, die zum Schulbus eilte. Während Kathy mit Timothy frühstückte, hatte er im Wohnzimmer auf der Couch gelegen und einen Bourbon getrunken. Morgens um acht. Er hatte im Halbschlaf ihren Stimmen gelauscht und gewusst, wofür er arbeitete. Nach ihrem Tod hatte er das Haus sofort verkauft.
    Seither lebte er aus dem Koffer in möblierten Wohnungen oder Hotelzimmern in Paris, Berlin und London. Eine Weile war er in Seoul gewesen, zu dem Zeitpunkt, als die Beziehungen zu Nordkorea wieder einmal den Tiefpunkt erreicht hatten. Es war eine gute Zeit gewesen. Er schätzte die Asiaten für ihre Zurückhaltung und Höflichkeit und ihren unbedingten Gehorsam. Es hatte dort auch eine Frau gegeben. Eine, die nicht geredet und keine Forderungen gestellt hatte. Die einfach nur das von der Schwüle des Klimas plötzlich wiedererweckte Bedürfnis seines Körpers nach Sex befriedigt und danach schweigend seine Tränen der Scham getrocknet hatte. Er hatte sich nicht einmal von ihr verabschiedet.
    Die Agency

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