Machtlos
hatte bislang nicht versucht, ihn wieder in Langley zu stationieren. Noch nicht. Vermutlich würde nach diesem Einsatz ein Angebot kommen. Seine Schonfrist war abgelaufen.
Er wusste noch nicht, wie er damit umgehen würde. Vielleicht würde er einfach den Dienst quittieren, sich in seine alte Hütte in den Rockys zurückziehen und den Rest seines Lebens mit Jagen und Fischen verbringen. Niemand würde ihn kennen. Niemand würde fragen. Und niemand würde unaufgefordert alleinstehende Frauen für ihn als Tischpartnerinnen einladen.
Er war inzwischen in der Tiefgarage angekommen. Neben seinem schwarzen Geländewagen stand Archers Audi. Eine große dunkle Limousine. Er hätte zu gern gewusst, ob sie was mit Mayer hatte, diesem verdammt korrekten Deutschen. Die beiden hielten zusammen wie Pech und Schwefel, und es konnten nicht ihre Interessen sein, die sie verbanden. Die Kanadier waren nichts anderes als der verlängerte Arm der CIA , auch wenn Archer das immer noch nicht zu begreifen schien.
Burroughs stieg in seinen Wagen und ließ den Motor an. Als er aus der Tiefgarage herausfuhr, klingelte sein Handy. Die Nummer des Anrufers war unterdrückt. Burroughs zögerte, dann nahm er das Gespräch an.
»Spreche ich mit Robert F. Burroughs?«, fragte eine männliche Stimme, die ihm durchaus bekannt war.
»Ja?«, erwiderte er vorsichtig.
»Ich bin in Hamburg. Ich beobachte aus nächster Nähe, was geschieht.«
Bevor Burroughs antworten konnte, war die Verbindung unterbrochen. Irritiert blickte er auf das Mobiltelefon in seiner Hand. Es gab nur wenige Personen, die diese Nummer kannten. Der Anrufer am anderen Ende gehörte nicht dazu. Burroughs wusste, dass er den Anruf zurückverfolgen lassen konnte. Alle Anschlüsse der Mitarbeiter der Agency waren so ausgelegt. Aber es gab einen guten Grund, es nicht zu tun. Ein Schatten streifte ihn, berührte ihn mit kalten Fingern. Es ist nur die Müdigkeit, beruhigte er sich. Alles, was du brauchst, sind ein paar Stunden Schlaf.
* * *
Marc Weymann erinnerte sich an Omar al-Almawis Warnung: »Pass auf, was du tust und was du sagst, beweg dich auf Zehenspitzen und vertraue niemandem.« Die Worte des Mannes waren ihm lächerlich erschienen, er hatte sie abgetan mit einer Handbewegung, fortgewischt mit der Bemerkung, er wäre Deutscher und lebe in einem Rechtsstaat. Und Omar hatte milde gelächelt. Doch in seinen Augen hatte eine Traurigkeit gelegen, die Marc nicht verstanden hatte und erst jetzt begriff, als er in die aufgelösten Gesichter seiner Töchter blickte.
»Er sagt, Mama ist nicht in London«, sagte Leonie mit zitternder Stimme. »Er sagt, die Polizei hat Mama mitgenommen«, fügte Sophie hinzu, und ihre Stimme schwankte wie die ihrer Schwester.
Die Augen der Mädchen waren voller Tränen, als sie ihn bittend ansahen, dass er, was ihnen erzählt wurde, widerlegen möge.
»Wie sah der Mann aus?«, wollte Marc wissen.
»Groß« und »nicht besonders« waren die einzigen Hinweise, die sie ihm geben konnten. Er spürte eine ohnmächtige Wut beim Anblick seiner aufgelösten Kinder.
»Papa …?«
Marc schluckte. »Der Mann hat gelogen. Er wollte euch Angst machen.«
Glaubten sie ihm?
»Können wir mit Mama telefonieren?«
»Ich werde versuchen, sie zu erreichen«, versprach er.
Als er wenig später den Laden seines türkischen Gemüsehändlers betrat, verstummten die Gespräche abrupt, und die Blicke, die die Anwesenden ihm zuwarfen, zeugten davon, dass der unbekannte Mann, der seine Töchter vor dem Haus abgefangen und nach ihrer Mutter befragt hatte, sein Gift nicht nur bei ihnen versprüht hatte. Lediglich Ahmed Khattab packte ihm die Bananen und die Orangen mit derselben Gleichmütigkeit ein, die er auch sonst an den Tag legte. Er schenkte ihm dasselbe Lächeln und vergaß auch nicht die getrockneten Aprikosen, die er immer für die Mädchen mitgab.
Auf der Straße sah Marc sich um, als könne er den Fremden irgendwo sehen, wartend in einem Hauseingang, lauernd auf sein nächstes Opfer. Und wieder dachte er an Omar al-Almawis Warnung.
Vertraue niemandem.
Aber er musste mit jemandem reden. Aus diesem Grund hatte er an diesem Morgen noch einmal den Kontakt zu Meisenberg gesucht, war aber nur bis zu dessen Sekretärin vorgedrungen. Meisenberg war angeblich nicht in der Stadt.
Was hatte Valerie getan?
Marc ging über die Brücke, die über den Kanal hinter seinem Haus führte, und stieß mit einem massigen, grauhaarigen Mann zusammen, der gerade aus seinem
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