Machtlos
Sie mit Ihrer Frau.«
Nichts, was er lieber täte. Valerie sehen, ihre Stimme hören. Ihre Nähe spüren. Sie fragen, was wirklich vor sich ging, und ihr dabei in die Augen sehen. Aber Marc schüttelte den Kopf.
»Sie ist dabei, einen großen Fehler zu machen. Sie dürfen sie nicht gewähren lassen«, drängte Mayer.
Jäher Zorn flammte in Marc auf, und er hieb mit der Faust auf seinen Schreibtisch, während die Worte aus ihm herausbrachen. »Haben Sie sie nicht in all das hineingetrieben? Wie ist sie überhaupt in das Konsulat gekommen? Ist sie aus dem Präsidium ausgebrochen und geflohen? Da steckt doch mehr dahinter!« Er bremste sich, als ihm bewusst wurde, wo sie sich befanden. Die Wände seines Büros waren dünn. Zu dünn.
»Ich kann Ihnen dazu leider keine Informationen geben. Sie unterliegen einer strengen Geheimhaltung.«
»Und was ist mit diesem Abidi?«
Wieder schwieg Mayer. Es war hoffnungslos. Marc spürte, dass er gegen eine Mauer anrannte.
»Bitte, begleiten Sie mich«, wiederholte Mayer stattdessen. »Sprechen Sie mit Ihrer Frau.«
»Ich denke, es ist besser, wenn wir unser Gespräch beenden«, sagte Marc. »Gehen Sie und geben Sie mir meine Frau zurück.«
Mayer erwiderte nichts. Betrachtete ihn nur einen Augenblick lang nachdenklich, bevor er aufstand und zur Tür ging. Marc hatte plötzlich das Gefühl, dass ihm der Mann vom BND etwas Wichtiges, etwas Entscheidendes verschwieg. Tatsächlich drehte Mayer sich in der Tür noch einmal zu ihm um. »Kommen Sie mit.«
Marc schüttelte den Kopf, und Mayer verließ den Raum ohne ein weiteres Wort.
Marc sackte auf seinen Schreibtischstuhl. Dabei fiel sein Blick auf die Fotografie, die Mayer auf dem Tisch hatte liegenlassen. Vier Personen, die in eine Kamera lachten. Drei von ihnen kannte Marc. Noor und ihr syrischer Freund. Valerie. Das vierte Gesicht das eines Mannes: Safwan Abidi. Seine Finger schlossen sich um das Papier und knüllten es zu einem harten festen Ball, den er in seiner Faust zusammendrückte, bis seine Hand schmerzte.
* * *
Eric Mayer trat auf die Dammtorstraße hinaus und gab dem Fahrer, der auf ihn gewartet hatte, ein Zeichen. Er hatte geahnt, dass sein Besuch bei Marc Weymann vergeblich sein würde, und sich dennoch darauf eingelassen, auch wenn es fast unmöglich gewesen war, sich dafür loszueisen. Er wollte sich später nicht vorwerfen lassen, er hätte nicht alle legalen Möglichkeiten ausgeschöpft.
Valerie Weymann war seit mehr als zwei Stunden im Konsulat. Der Kontakt blieb unterbrochen. Was geschehen war, hatten sie nicht klären können. Die Techniker hatten verzweifelt nach einem Fehler in der Übertragung gesucht, aber nichts gefunden. So wie sich das Gespräch zwischen ihr und Abidi angelassen hatte, war es unwahrscheinlich, dass Valerie Weymann in Gefahr schwebte. Wahrscheinlicher war, dass sie sich dem Palästinenser offenbart hatte.
Burroughs war beachtlich schnell zu Höchstform aufgelaufen. Er hatte Valerie Weymann von Anfang an misstraut und in ihr nicht nur eine Zeugin, sondern auch eine Täterin gesehen. Eine Annahme, in der er sich jetzt bestätigt sah. »Sie hat ihre Chance genutzt, als sie gehört hat, dass Abidi im Konsulat ist«, hatte er behauptet, und seine ganze Haltung hatte eine der Situation unangemessene Zufriedenheit ausgestrahlt. »Und ihr wart so naiv, ihr zu vertrauen.«
Jetzt durfte Burroughs Katastrophenhelfer spielen und den Karren aus dem Dreck ziehen. Mayer seufzte unwillkürlich. Burroughs hatte seine vielschichtigen und undurchsichtigen Beziehungen spielen lassen und letztlich erreicht, dass die syrischen Behörden den Konsul angewiesen hatten, sowohl Valerie als auch Abidi auszuliefern. Allerdings nicht an die deutschen Behörden, sondern an die Amerikaner. Und er hatte seine Lösungen mit einer Schnelligkeit präsentiert, die darauf schließen ließ, dass alles bereits im Detail vorbereitet gewesen war. Er hatte sie knallhart ausgebootet. Sogar ein Flugzeug hatte er startbereit machen lassen, das in Fuhlsbüttel auf ihn und seine Gefangenen wartete. Und das Ziel waren nicht die Vereinigten Staaten. Darauf verwettete Mayer sein letztes Hemd. Es gab andere Orte auf der Welt, dunkle, verschwiegene Orte. Orte ohne Hoffnung.
All das hatte er Marc Weymann nicht sagen können. Nicht sagen dürfen. Er war dennoch so kurz davor gewesen wie noch nie in seinem Leben. Er zog sein Telefon aus der Brusttasche seines Jacketts und wählte Archers Handynummer. »Gibt es etwas
Weitere Kostenlose Bücher