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Machtlos

Machtlos

Titel: Machtlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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ihr sah, dem Inbegriff deutscher Sicherheit, deren Schutz sie sich auf so dumme Weise verspielt hatte. Im kalten Licht der Neonbeleuchtung war sie noch blasser, noch filigraner. Dort, wo seine Faust sie getroffen hatte, zeichnete sich unter der Haut ein dunkler Schatten ab, halb verborgen unter den Wellen ihres langen Haars und nur zu erkennen, wenn man wusste, worum es sich handelte. Burroughs hatte gelernt, seine Schläge so zu setzen, dass seine Opfer trotz ihrer Schmerzen unversehrt wirkten – es sei denn, ihr Tod war kalkuliert. So wie bei Abidi.
    Es hatte einiges an Eloquenz erfordert zu erklären, warum er den Palästinenser erschossen hatte. Dass er ihnen tot mehr nutzte als lebend. Nicht nur den Deutschen gegenüber. Mayer hatte gekocht vor Wut. Und er hatte sich gerächt, indem er ihm Valerie Weymann vor der Nase weggeschnappt hatte. Diese verdammte kleine Schlampe. Sie würde für ihren unüberlegten Tritt bezahlen. Sie würde sich noch wünschen, mit Abidi zusammen auf dem Deck dieses Moslemschiffes gestorben zu sein. Sie würde sich noch wundern. So wie diese arabische Wildkatze.
    Er erinnerte sich an Mayers Entsetzen, als er kurz nach Valerie Weymanns Verhaftung hier auf dem Flughafen gesagt hatte, er würde die Anwältin mitnehmen. »Sie ist eine Frau«, hatte Mayer mit mahnendem Unterton in der Stimme entgegnet, was ihm überhaupt nicht gefiel. Eine Frau. Das war kein Argument für ihn. In all den Jahren bei der Agency hatte Burroughs begriffen, dass gerade Frauen wie Valerie Weymann der besonderen Aufmerksamkeit bedurften. Sie waren intelligent und machtbesessen, skrupellos, wenn es darum ging, ihre Haut zu retten, und bereit, dafür ihre Seele zu verkaufen.
    Er würdigte Valerie Weymann keines Blickes, als sie neben ihm stand. Sprach über ihren Kopf hinweg mit dem Beamten, bevor sie durch eine Tür traten, die sie abseits der Terminals durch die für die Öffentlichkeit abgesperrten Bereiche des Flughafens zum Rollfeld führte. Ihre Schritte hallten in den stillen, verlassenen Gängen wider. Lediglich die Lautsprecheransagen drangen zu ihnen hindurch.
    Die Maschine war startklar, dafür hatte er gesorgt. Der Timeslot für den Start war bereits geöffnet. Er konnte sich keine weiteren Verzögerungen leisten.
    Am Ausgang des Flughafengebäudes wartete der Wagen, der sie zu dem Learjet brachte. Als sie hinaustraten, schlug der Wind ihnen nasskalt entgegen, und er bemerkte, wie Valerie Weymann fröstelnd die Schultern hochzog. In direkter Nachbarschaft startete eine Maschine mit Getöse ihre Motoren. Burroughs hastete auf den Wagen zu, seinen Arm fest um Valerie Weymanns Taille geschlungen. Sie stolperte neben ihm her, das Medikament, das sie ihr gespritzt hatten, wirkte immer noch. Wer sie von Weitem beobachtete, würde die Situation sicher anders bewerten.
    Augenblicke später stiegen sie die Stufen zur Luke des Flugzeugs empor. Der Copilot begrüßte ihn mit Handschlag und schloss die Tür hinter ihnen. Sie waren schon des Öfteren zusammen geflogen. Burroughs dirigierte Valerie Weymann in die erste Reihe der sechs Sitze. Als er sich über sie beugte, um ihre Handfessel an der Lehne zu befestigen und den Sicherheitsgurt zuzuschnallen, wandte sie den Kopf ab. Er unterdrückte ein Lächeln. Es würde interessant werden zu sehen, wie diese Arroganz brach und ihr wahres, elendes kleines Ich sich wand, um am Leben zu bleiben.
    Er wählte einen der Sitze in der letzten Reihe, ließ sich schwer in das graue Leder fallen und schloss den Gurt. Die Maschine rollte an. Die Wege in Hamburg zur Startbahn waren kurz. Die Motoren heulten auf, und gleich darauf waren sie in der Luft. Die Lichter der Stadt wurden kleiner und verschwanden, als sie in die dichte Wolkendecke eintauchten. Burroughs schloss zufrieden die Augen. Es lief alles nach Plan.
    * * *
    Das Polizeifahrzeug verschwand vor ihm in der Dunkelheit. Marc wurde langsamer, fiel in Schritttempo und blieb schließlich stehen. Sein Atem kam stoßweise und kondensierte in der kalten Luft zu feinen weißen Wolken, die sich im Nichts verloren. Das Krankenhausgelände war menschenleer zu dieser späten Stunde, und die Bäume reckten ihre kahlen Äste wie tote Finger in den schwarzen Himmel. Er war nicht der Mann für die großen Gefühlsausbrüche. Er wusste nicht, wann er das letzte Mal geweint hatte, und er gestattete es sich auch jetzt nicht, als er zu seinem Wagen zurückging, den Motor anließ und sich auf den Heimweg machte. Im Geist durchlebte er

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