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Machtlos

Machtlos

Titel: Machtlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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würde keinen Sinn machen, ihn weiter zu bedrängen. Der Affront, den die Entführung von Valerie Weymann darstellte, wurde auf politischer Ebene behandelt und berührte die Mitarbeiter der Nachrichtendienste somit nicht mehr. Das Bundeskanzleramt war informiert und hatte die Angelegenheit an sich gezogen. Millers Verschwiegenheit sprach daher Bände.
    Mayer trat einen Schritt zurück und lächelte kurz. »Vielen Dank, John. Sie haben mir schon sehr geholfen«, versicherte er dem Amerikaner. Miller erwiderte sein Lächeln gequält.
     
    Er verließ das Büro und prallte auf dem Flur mit Archer zusammen, die seinen Besuch bei Burroughs’ Stellvertreter mit neugierigem Erstaunen quittierte. »Sind Sie auf der Suche nach Informationen?«
    Mayer war nicht zum Scherzen aufgelegt. »Ich bin auf der Suche nach der Wahrheit.«
    Archer schürzte die Lippen. »Das ist ein großes Unterfangen heutzutage, wo Wahrheit doch als etwas sehr Subjektives gehandelt wird. Welche Wahrheit darf es denn sein?«
    »Ich habe sehr unterschiedliche Aussagen zu Abidis Tod erhalten«, erwiderte er. »Jemand behauptet sogar, Burroughs habe ihn erschossen.«
    Archer wirkte plötzlich nervös, ihr Blick huschte über den Flur, dann nahm sie Mayers Arm. »Vielleicht ist es besser, wenn wir das nicht hier draußen besprechen«, sagte sie mit einem Lächeln, das ihre Augen nicht erreichte.
    »Haben Sie
das
John Miller erzählt?«, wollte sie wissen, nachdem sie ihre Bürotür hinter sich geschlossen hatte.
    »Nein, wir hatten ein anderes Thema. Warum reagieren Sie so nervös?«
    »Ich bin nicht nervös. Nur vorsichtig«, widersprach sie. »Ich habe das Gefühl, dass sich in den vergangenen Tagen zwei Lager gebildet haben. Jene, die sklavisch alles nachplappern, was die Kollegen von der CIA unter die Leute bringen, und auf der anderen Seite Leute wie Sie, die plötzlich den gesamten Stand unserer Ermittlungen anzweifeln. Und ich frage mich, ob uns das weiterbringt im Rahmen unserer Sicherheitsdebatte.« Sie wies auf eine Karte von Hamburg, die an der Wand ihres Büros hing. Die Stadtviertel, in denen die Hotels lagen, wo die Gipfelteilnehmer mit ihrer Entourage absteigen würden, waren rot eingekreist, die Wege der Politikerkonvois markiert. Archer war eine Strategin. Vermutlich hätte sie vor einhundert Jahren kleine Soldaten in einer Modelllandschaft detailgetreu aufgestellt und mit einem Schieber hin und her bewegt. »Wir haben eine große Aufgabe«, fuhr sie fort. »Der Gipfel hat historische Bedeutung. Abrüstung zugunsten des Klimas. Davon träumen Milliarden Menschen auf diesem Planeten. Wir dürfen uns die Chancen und die Hoffnung, die uns dieses Treffen bringt, nicht von ein paar religiösen Fanatikern zerstören lassen. Wir müssen zusammen, nicht gegeneinander arbeiten.«
    »Was wollen Sie damit sagen, Marion?«
    »Dass es völlig irrelevant ist, wer Abidi erschossen hat«, erwiderte sie heftiger, als er erwartet hätte. Eine feine Röte stieg in ihre Wangen. »Entscheidend ist doch nur, dass wir ihn ausgeschaltet haben. Dass die Gefahr, die er dargestellt hat, gebannt ist, und wir einen Schritt weitergekommen sind.« Sie hatte die Fäuste geballt bei ihren letzten Worten. Mayer unterdrückte ein Seufzen. Der Patriotismus seiner angloamerikanischen Kollegen war bisweilen ermüdend. Archer bebte förmlich vor Ergriffenheit.
    »Es wäre besser, Abidi wäre noch am Leben«, sagte er ruhig. »Die Palästinenser stilisieren ihn bereits zum Märtyrer hoch.«
    In den palästinensischen Autonomiegebieten hatte die Nachricht vom Tod Safwan Abidis zu Demonstrationen und öffentlichen Protesten geführt, bei denen erstmals auch deutsche Flaggen verbrannt worden waren.
    »Die Hardliner in der Region sind immer schnell bei der Hand, wenn es ums Aufhetzen der Bevölkerung geht«, widersprach Archer. »In ein paar Tagen haben sie sich wieder beruhigt. Die haben genug mit dem nackten Überleben zu tun. Wir müssen uns mit den Gegebenheiten arrangieren, wie sie sind, und das Beste daraus machen.« Die leichte Überheblichkeit in ihrer Stimme irritierte Mayer. Entweder teilte sie seine Bedenken tatsächlich nicht oder sie wollte ihn das zumindest glauben machen.
    »Ich habe hier etwas anderes, das ich gern mit Ihnen besprechen würde«, fuhr sie fort. »Etwas, das mir weitaus mehr Sorge macht als ein paar palästinensische Hitzköpfe, die zu weit fort sind, um uns gefährlich zu werden.« Sie trat an ihren Schreibtisch und schlug eine Mappe auf. »Wir haben

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