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Machtlos

Machtlos

Titel: Machtlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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hier draußen zu treffen«, bekannte er. »Ich wollte meine Chance nutzen, bevor es ein anderer tut.«
    Sie zog eine Braue hoch. »Was macht Sie so sicher, dass Sie eine Chance haben?«
    »Ich habe Sie beobachtet«, erwiderte er.
    Sie antwortete nichts.
    »Wie lange sind Sie schon hier?«, fragte er.
    »Seit vier Monaten«, antwortete sie nach kurzem Zögern.
    Vier Monate in dieser Abgeschiedenheit waren Zeit genug, um eine ernsthafte Psychose zu entwickeln. »Keine Sehnsucht zurück nach der Zivilisation? Dem Leben in New York?«
    »Es gefällt mir ganz gut hier.«
    »Und was sagt Ihre Familie dazu, wenn Sie Weihnachten nicht zu Hause sind?«
    Sie blinzelte ins Licht. »Ich habe keine Familie.«
    »Ich wittere erneut meine Chance.«
    »Vergessen Sie es, Bob.«
    Er machte einen letzten Versuch. »Früher habe ich die Feiertage in einer Hütte in den Bergen verbracht, in der Nähe von Denver. Großartige Gegend für jemanden, der die Einsamkeit liebt.« Er sah sie abwartend an. »Ich denke, nach dem Gipfel in Hamburg werde ich mir dort eine kleine Auszeit gönnen.«
    »Ist das eine Einladung?«
    »Und wenn es eine wäre?«
    Sie erwiderte seinen Blick abschätzend, sagte aber nichts.
     
    »Martinez wird es begrüßen, wenn Sie wieder fort sind«, sagte sie fast beiläufig, ohne ihn anzusehen, als die beleuchtete Anlage vor ihnen wieder zwischen den Bäumen auftauchte.
    Burroughs war überrascht, aber er verstand die Bemerkung als das, was sie war: eine Warnung.
    »Danke für den Tipp«, erwiderte er.
    Sie schenkte ihm ein flüchtiges Lächeln. Das erste Mal, seit sie zusammen aufgebrochen waren. »Martinez hält nicht damit hinter dem Berg, wenn ihm etwas nicht passt. Vor allem nicht, wenn er getrunken hat. Er war ziemlich ungehalten, weil Sie sich die Deutsche für eine eigene Befragung geholt und zusammengeschlagen haben. Gehen Sie ihm lieber aus dem Weg. Er nimmt seinen Job sehr ernst. Er glaubt an das, was er tut.«
    »Tun wir das nicht alle?«
    »Nicht so. Es ist ein leidenschaftlicher Patriotismus, der ihn treibt.«
    »Sie beschäftigen sich viel mit ihm«, bemerkte Burroughs.
    »Ich arbeite schon eine ganze Weile mit ihm zusammen.«
    »Das kann man?«
    Martinez war ein Einzelgänger. Burroughs konnte sich nur schwer vorstellen, dass er freiwillig mit jemandem zusammenarbeitete. Aber Marcia war interessant. Anders. Vielleicht hatten sie etwas miteinander. Vielleicht gab sie sich deshalb so zugeknöpft. Sie war älter als Martinez. Deutlich älter. Aber es gab Frauen, da spielte das Alter keine Rolle.
    »Man muss ihn zu nehmen wissen«, sagte sie und sah ihn nachdenklich von der Seite an.
    Sie trennten sich im Flur vor dem Casino. Burroughs sah ihr mit gemischten Gefühlen nach. Dann ging er in das Casino und schenkte sich einen großen Whiskey ein. Später am Abend war er betrunken. Er schlief schlecht in dieser Nacht und träumte von Kathy. Sie saß nackt in einem der Verhörräume und weinte. Er wollte ihr helfen, wurde aber immer wieder aufgehalten. Als er endlich bei ihr war und mit bangem Gefühl ihre Hand nahm, spürte er, dass etwas nicht stimmte. Sie fühlte sich seltsam an. Sie hob ihren Kopf, und er blickte in Martinez’ lachendes Gesicht. »Sie ist genauso tot wie du, Burroughs«, sagte er nur. »Hast du es immer noch nicht begriffen?« Schweißgebadet fuhr Burroughs in seinem Bett hoch und starrte in die Dunkelheit. Sein Herz klopfte wild. Erst am frühen Morgen konnte er wieder einschlafen.
    * * *
    Marc blickte fassungslos in das gelangweilte Gesicht des Chefredakteurs. »Tut mir leid, Herr Weymann, aber ich fürchte, wir sind nicht interessiert an Ihrer Geschichte.« Der Mann stand auf. Eine eindeutige Geste, die Marc ignorierte. Er blieb sitzen. »Eine Frau wird mitten in Deutschland vom amerikanischen Geheimdienst entführt und verschleppt, und Sie sind
nicht interessiert?
«
    Der Mann seufzte. »Ich hab es Ihnen doch bereits erklärt. Sie können nichts von dem beweisen, was Sie uns erzählt haben. Wir können uns nicht allein auf Ihre Aussage verlassen und eine Geschichte ins Blatt heben, von der wir …«
    »Verdammt noch mal, Sie wissen, wer ich bin«, fiel Marc ihm ins Wort. »Warum sollte ich meinen guten Namen aufs Spiel setzen und zu Ihnen kommen, wenn nicht …«
    »Herr Weymann, bitte!«
    »Recherchieren Sie! Das machen Sie doch sonst auch. Sie haben doch die Möglichkeiten und Verbindungen.«
    Der Chefredakteur hatte bereits die Türklinke heruntergedrückt, als Marc die

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