Machtlos
abends im Bett waren, schaltete er seinen Laptop ein und suchte im Internet nach Antworten auf all die Fragen, die er Franka von Sandt nicht hatte stellen können. Aus Angst. Und aus Scham über sein Unwissen. Was er fand, war so erschreckend, dass es ihn nicht nicht schlafen ließ.
* * *
Eric Mayer blickte auf die Fotos der beiden jungen Männer, die auf dem Besprechungstisch lagen. »Wann soll der Zugriff erfolgen?«
»Heute Nacht. Damit halten wir die Gefährdung für Außenstehende gering. Wir wollen nichts riskieren«, erwiderte Jochen Schavan. Der BKA -Beamte hatte die Leitung des Einsatzes übernommen. Die Information, die zu dem Einsatz führte, war von den Amerikanern gekommen. Da sich John Miller weigerte, die Quelle preiszugeben, konnte nur Burroughs dahinterstecken.
»Wir sind seit Tagen an den Männern dran und haben bislang keine Hinweise auf verdächtige Aktivitäten«, gab Mayer zu bedenken. »Wäre es nicht besser, noch zu warten?«
»Wir müssen davon ausgehen, dass sie ihre Planungen bereits abgeschlossen haben. Wir können es uns nicht leisten, dass etwas Unvorhergesehenes passiert«, sagte Schavan knapp.
Mayer ahnte, dass Schavan die Worte des Senators für Inneres noch in den Ohren klangen. Und natürlich hatte der Anschlag auf das Dammtor auch auf Bundesebene Wellen geschlagen, aber Politiker hatten keine Ahnung vom operativen Geschäft. Es war bedauerlich, dass sich der Mann vom BKA sich so beeinflussen ließ. »Es sind noch knapp zwei Wochen bis zum Gipfel«, sagte Mayer. »Wenn wir die Männer jetzt aus dem Verkehr ziehen, könnten sie noch ersetzt werden. Wenn wir sie erst kurz vorher hochgehen lassen, wird keine Zeit mehr dafür sein.«
»Glauben Sie mir, ich weiß das alles«, gab Schavan zurück. »Aber es gibt in dieser Angelegenheit einen klaren politischen Willen, dem ich folgen werde. Ich werde mich dem nicht widersetzen und hinterher dafür den Kopf hinhalten.«
Den würde es ihn so oder so kosten, wenn etwas schiefging, dachte Mayer, äußerte sich aber nicht.
»Es geht darum, Ergebnisse vorzuweisen«, fuhr Schavan fort. »Und das nicht erst in letzter Minute.«
»Vermutlich mit der Begründung, dass die ganze Welt auf uns blickt.«
»So in etwa.«
In einer unspektakulären Aktion wurden die beiden Männer aus der Harburger Wohnung geholt. Das Sondereinsatzkommando der Polizei war mit ihnen schon auf dem Weg ins Präsidium, bevor die Nachbarn überhaupt kapierten, was los war. Mayer war als Beobachter mitgefahren und folgte zusammen mit Schavan dem geschlossenen Van, in dem die Terrorverdächtigen in Handschellen und mit Gesichtsmasken saßen. Sie waren so überrumpelt gewesen, dass sie sich überhaupt nicht zur Wehr gesetzt hatten. Im Polizeipräsidium wurden sie sofort in getrennte Verhörzimmer gebracht, wo die Befragung die restliche Nacht andauerte. Mayer blieb wie die meisten anderen Mitglieder der Führungsriege der Anti-Terror-Einheit vor Ort. Im Morgengrauen ging er mit Jochen Schavan hinunter in die Kantine.
»Das war nicht so ergiebig, wie wir es uns gewünscht hätten«, sagte Schavan müde. Unter seinem grauen Drei-Tage-Bart war sein Gesicht blass.
»Wenn Sie mich fragen, sind wir mit den beiden auf einer völlig falschen Spur.« Mayer drückte auf den Knopf des Kaffeeautomaten und beobachtete, wie die dunkle Flüssigkeit in seinen Becher lief.
»Mit dieser Meinung stehen Sie ziemlich allein da«, bemerkte Schavan.
»Mag sein«, erwiderte Mayer, »aber was haben wir konkret gegen sie in der Hand? Wir haben lediglich ihre Wut über den Tod Abidis dokumentieren können. Es gibt kein einziges Gespräch über mögliche Aktionen, und ihre Wohnung war absolut sauber. Das hält keiner Haftprüfung stand. Soll der Haftgrund darauf basieren, dass Sie auf dem Küchentisch den Koran gefunden haben?«
»Nein, die Männer haben jedes Gespräch über ihr geplantes Attentat vermieden, da sie nach Abidis Entdeckung als Attentäter von Kopenhagen und Hamburg damit rechnen mussten, observiert zu werden«, sagte eine Stimme hinter ihnen. Sie wandten sich um. Einer der britischen Kollegen hatte sich zu ihnen gesellt. »Sie wussten genau, wie sie sich verhalten mussten, um ihr Ziel nicht zu gefährden. Sie haben sämtliche Spuren und Hinweise auf ihre Aktivitäten vernichtet. Es war allerhöchste Zeit für den Zugriff. Wir haben es mit hochintelligenten, kaltblütigen und sehr professionellen Typen zu tun.«
Wie einige andere aus ihrem Team vertraten die Briten die
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