Machtlos
energisch. „Selbst wenn alle Erinnerungen an Lenir aus ihrem Kopf getilgt würden, so würde sie doch immer noch eine unbestimmte Sehnsucht verspüren, die mit der Zeit stärker und stärker wird. Sie würde das Gefühl nicht mehr einordnen können. Wenn sie nicht wahnsinnig wird und daran zerbricht, dann wird sie trotzdem ihres Lebens nicht mehr froh. Nein, wenn die Offenbarungsphase erst hinter den Gefährten liegt, dann gibt es kein Zurück mehr.“
Mandolan dachte noch weiter. Sein Gesicht war ernst, als er sprach: „Nehmen wir einmal an, Kerstins Gedächtnis würde tatsächlich angepasst. Was wird dann aus Lenir? Wenn ich dich richtig verstanden habe, Hoggi, dann wird er das Menschenmädchen kaum vergessen können, oder?“
Hoggi nickte. „Das, was für Kerstin gilt, das gilt auch für Lenir.“ Er schüttelte traurig seinen Kopf. „Der Gute hat offenbar in den letzten Wochen versucht, gegen die Verbindung anzukämpfen. In den letzten Tagen war er nur noch ein Schatten seiner selbst… das wird nicht besser, wenn er Kerstin verliert. Nein, besser wird das nicht.“ Er schwieg und schimpfte mit sich selbst: „ Wie konnte ich nur so blind sein? Wie konnte ich nur denken, die neue Aufgabe mit der großen Verantwortung nähme ihn so gefangen? Warum habe ich denn nichts bemerkt? Ich WEISS doch, dass es zu jeder Regel eine Ausnahme gibt! Das habe ich meinen Schülern immer eingebläut. Und nun bin ich selbst drauf reingefallen… Ort und Zeit hätte ich außer Acht lassen müssen… das hätte doch klingeln müssen in meinem alten Schädel…“ Die gutmütige Gelassenheit, die er noch wenige Minuten zuvor Abrexar gegenüber zur Schau getragen hatte, war verschwunden, das spürte Victoria genau.
Während Hoggi mit sich selbst ins Gericht ging, sah Narex auffordernd in die Runde. „Damit ist dann wohl klar, was wir tun müssen: Die junge Frau muss dazu bewegt werden, Lenir zuzuhören, damit er sich ihr offenbaren kann. Wenn sie einander annehmen, kann der Große Rat wohl kaum etwas gegen die beiden unternehmen, oder?“
Abrexar lächelte traurig. „Offiziell wohl nicht. Aber aus zuverlässiger Quelle weiß ich, dass Jalina schon wegen Jaromir und Victoria verstimmt ist und es ihr am liebsten wäre, wenn die beiden einfach vom Erdboden verschwinden würden.“
Narex runzelte mit der Stirn. „Meinst du wirklich, dass die Goldenen nach all den Jahrhunderten noch immer einen Groll gegen die Gefährten hegen? Lebt überhaupt noch eine von denen, die damals diese besondere Verbindung mit eigenen Augen gesehen hat?“
„Das ist irrelevant“, belehrte Mandolan ihn förmlich. „Vergiss nicht, dass die goldene die einzige Rasse ist, die selbst nie menschliche Gefährten für sich gewinnen konnte. Mein Mentor hat in meiner Ausbildung immer darauf hingewiesen, dass die Verbindung ein Thema ist, das man besser nicht in Gegenwart einer Goldenen ansprechen sollte. Offensichtlich waren sie schon damals nicht gut auf Gefährten zu sprechen. Und wir sind uns doch einig, dass die Goldenen etwas über das plötzliche Verschwinden der Gefährten nach der Versiegelung der Tore wussten. Dann hat der Große Rat unseren Rückzug aus der menschlichen Gesellschaft angeordnet und das große Vergessen begann.“
Bei diesen Worten sah Mandolan Narex kopfschüttelnd an und sagte vorwurfsvoll: „Mann, du gehörst zum Widerstand, Narex! Genau das versuchen wir doch seit Jahrhunderten zu beweisen.“
„Ich will ja gar nicht abstreiten, dass die Goldenen Dreck am Stecken haben“, erwiderte Narex betont gelassen, „ich möchte nur zu bedenken geben, dass die Goldenen von heute nicht die Goldenen aus der Zeit der Torkriege sind. Es besteht doch immerhin theoretisch die Möglichkeit, dass sie ihre Ansichten und Einstellungen zu einigen Themen in den letzten Jahrhunderten verändert haben.“ Bei den letzten Worten sah er Abrexar hilfesuchend an.
Doch der schüttelte bedauernd seinen Kopf. „Darauf würde ich nicht bauen, Narex – gerade in Bezug auf die Gefährten nicht.“
„Dann hatte Lenni also recht mit seiner Angst vor den Goldenen“, murmelte Jaromir.
„Was?“, fragte sein Mentor nach.
„Ja!“, antwortete Jaromir nun heftig. „Lenni hatte regelrecht Panik davor, dass die Goldenen oder die Roten Kerstin etwas antun würden, sobald sie von deren Verbindung erfahren. Darum wollte er die Verbindung erst gar nicht eingehen. Er wollte Kerstin schützen und über sie wachen. Was er nicht wusste, ist, dass er mindestens
Weitere Kostenlose Bücher