Machtlos
nicht wieder da, aber Mandolan hatte sehr bestimmt angeboten, ihren Rechtskundeunterricht fortzusetzen und ihr auch die eine oder andere Lateinstunde zu geben. Am Nachmittag gab es wieder diverse Audienzen und am Mittwoch kamen ihre Eltern zu Besuch – darüber musste sie sich auch unbedingt einen Kopf machen, denn wenn das schief ging… Also, über die Konsequenzen für die Hochzeit wollte sie lieber nicht nachdenken. „Um Kerstin kümmere ich mich danach. Vielleicht platzt in den nächsten Tagen der Knoten ja auch von ganz allein“ , dachte sie hoffnungsvoll und nahm einen Schluck Milchkaffee.
27. Apfelkuchen garniert mit Hochzeitsplänen
Und dann kam der Mittwoch. Bis zu dem Treffen gegen fünfzehn Uhr hatte Victoria noch bei Mandolan Unterricht, doch irgendwann wurde sie so hibbelig, dass ihr Lehrer sie kopfschüttelnd ansah und fragte: „Was ist denn bloß los mit dir, Victoria? Ich dachte, deine Eltern kommen zu Besuch und nicht etwa Jalina persönlich.“
Victoria schnaufte: „Pfff. Ich kann dir versichern, Mandolan, dass meine Mutter der Königin der Goldenen in mancherlei Hinsicht das Wasser reichen kann… Ich will einfach nur, dass alles glatt geht.“
Mandolan nickte nachsichtig. „Ja, dein Gefährte deutete an, dass er bei seinem Antrittsbesuch bei deiner Mutter nicht gerade willkommen war. Aber jetzt ist das doch etwas anderes, schließlich kennt sie Jaromir schon und sie weiß auch, dass ihr heiraten wollt. Der Besuch wird sicher nett werden.“ Er lächelte sie aufmunternd an und meinte dann: „Ich selbst lenke mich in solchen Situationen ja gern mit der Analyse von Gesetzestexten ab, aber ich sehe schon, dass dir das nicht wirklich weiterhilft – vielleicht sollten wir für heute Schluss machen. Es ist ohnehin schon fast zwei.“
Victoria nickte seufzend und packte ihre Sachen zusammen.
Als sie den Raum verließ, rief Mandolan ihr mitfühlend hinterher: „Ich drücke euch die Daumen. Das wird schon werden, Victoria.“
Sie drehte sich mit einem schiefen Lächeln um. „Danke Mandolan. Ich werde dir morgen berichten.“
Als sie in den weißen Salon kam, war Albert gerade dabei, die Kaffeetafel zu decken. Er hatte sich vor dem Besuch bei Victoria über ihre Eltern informiert und bei der Wahl der Speisen echtes Fingerspitzengefühl bewiesen. Es würde eine traditionelle Apfeltorte geben, also nichts Überkandideltes, sondern etwas Bescheidenes, Konservatives, das bei Giesela Anklang finden konnte und sie gleichzeitig nicht beschämen würde. Als Gebäck dazu hatte Albert seine berühmten Minizimtschnecken ausgewählt – die waren bisher bei jedem gut angekommen.
Albert rückte noch einmal den Wildblumenstrauß zurecht und betrachtete zufrieden sein Werk. Er hatte sehr genau bemerkt, wie nervös Victoria wegen des Besuchs ihrer Eltern war und wollte, dass heute alles perfekt war.
Victoria lächelte. „Und das ist es auch Albert. Vielen Dank für die Mühe, die Sie sich immer wieder geben! Was würde ich heute nur ohne Sie machen?“
Albert freute sich über die Anerkennung, doch er sagte bescheiden: „Stets zu Diensten, Frau Abendrot. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Nachmittag.“
Dann verließ er beschwingt den Raum. Gleich musste er mit dem Hefeteig für die Zimtschnecken weitermachen. Die waren einfach am besten, wenn sie frisch aus dem Ofen kamen.
Victoria trat ans Fenster und blickte nach draußen in den Park. In einer Stunde würden ihre Eltern hier sein. „Ob ich sie nicht doch lieber auf Jaromirs Haus und seinen Butler hätte vorbereiten sollen? Bestimmt glaubt meine Mutter, ich habe ihr die falsche Adresse gegeben. Und ist es wirklich so geschickt, Hoggi dazu zu bitten?“ Hoggi war pünktlich zum Mittagessen von Noran zurückgekehrt und wurde seitdem von Jaromir auf den Besuch am Nachmittag vorbereitet. „Er wird sicher eine gute Figur als Jaromirs Onkel machen, aber manchmal ist er so zerstreut…“
In dem Moment betrat ihr Gefährte den Salon. „Hey Vici, ich habe gleich gemerkt, dass Mandolan heute früher Schluss gemacht hat. Du bist so aufgeregt, dass ich mich gar nicht mehr auf mein Gespräch mit Hoggi konzentrieren konnte. Zum Glück waren wir schon fast fertig.“
Victoria seufzte nur und blickte weiter in den Park. Was sollte sie auch dazu sagen?
Jaromir stellte sich hinter sie, strich ihre langen Haare behutsam beiseite und küsste liebevoll ihren Nacken. „Hey Kleines, mach dir nicht so viele Gedanken. Das wird schon werden…“
Victoria
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