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Machtlos

Machtlos

Titel: Machtlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Benden
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der Nachtmaare würde zweifellos eine solche Krise darstellen, darum hätte sie auch sofort den Notstand verhängen müssen. Und da Jaromir und Victoria erst Ende Dezember heiraten würden, gehörte Victoria nicht zur Gesellschaft der Drachen. Jalina wollte dieses Thema aber unbedingt am nächsten Tag in der zweiten Sondersitzung diskutieren lassen und hoffte inständig, dass die Versammlung die Hochzeit als unwichtige Formalie werten würde – genau wie sie selbst.
    Dann merkte sie noch an, dass sie sich sehr über Abrexars Antrag gewundert hatte, denn schließlich sei Hoggi doch selbst ein hervorragender Heiler.
    In diesem Augenblick sah Abrexar einen Wimpernschlag lang eine morbide Hoffnung in den Augen der goldenen Königin und er erkannte, dass Jalina ihnen freiwillig nicht einmal eine Schülerin der grünen Heilerinnen zur Verfügung stellen würde. Er war froh, dass er ihr nicht gesagt hatte, wie ernst es nach der Rückkehr nach Kiel um Victoria stand und wiegelte nun weiter ab. Wenn Jalina erst wusste, wie nah sie dem Ziel gekommen war, Jaromir und Victoria umzubringen, würde sie ihnen jede Hilfe versagen. Egal, welchen Preis sie dafür zahlen musste.
    Damit war klar, dass Victoria in absehbarer Zeit nicht wieder gesund werden würde. Ganz im Gegenteil. Da sie jedoch auch Teil der Menschengesellschaft war, brauchten sie eine Erklärung für ihren Zustand.
    Also ließ Abrexar einen Autounfall inszenieren und gab sogar Bilder von Jaromirs nun völlig deformierter und ausgebrannter Mercedes M-Klasse an die Presse. Er hatte für die größere Glaubwürdigkeit eigentlich den Aston Martin zerschrotten wollen, aber das hatte Lenir verhindert. Jaromir war es völlig egal gewesen, doch sein Freund weigerte sich aufzugeben. Er hoffte inständig, dass Jaromir das smaragdgrüne Auto irgendwann wieder selbst steuern würde.
    Am Montagabend zwang sich Kerstin dazu, Victorias Mutter zu informieren. Die war völlig aufgelöst, als Kerstin ihr von dem Autounfall erzählte. Sie wollte sofort mit ihrem Mann nach Kiel fahren. Kerstin konnte sie nur mit Mühe davon überzeugen, dass Victoria erst am nächsten Nachmittag besucht werden dürfe, da sie gerade operiert würde.
    Abrexar hätte es am liebsten gesehen, Victorias Eltern wären gar nicht gekommen, doch Kerstin machte klar, dass das erstens undenkbar und zweitens unzumutbar grausam wäre. Also organisierte der alte Schwarze kurzerhand eine transportable Intensivstation mit jeder Menge piepsender und blinkender Geräte inklusive einem vertrauten Torwächter, der ein ausgezeichneter plastischer Chirurg war. Doktor Custos Lacus würde wenigstens ansatzweise die erstaunlich gut verheilten Verbrennungen erklären können.
    Am Dienstagmittag war Victoria über diverse Kabel und Schläuche an einer Vielzahl technischer Geräte angeschlossen. Als Jaromir mal wieder ansprechbar war, machte er klar, dass er nichts von dieser Scharade hielt, doch Kerstin ließ nicht locker. Sie hatte Jaromir in den letzten Tagen nicht aus den Augen gelassen und sah in seinen Augen, wie nah Victoria dem Tod war. Sie gab ihm unmissverständlich zu verstehen, dass auch Hartmut und Giesela Victoria liebten. Auch sie hatten ein Recht darauf, ihre Tochter zu sehen, besonders, wenn es so schlecht um sie stand. Danach würde seine Gefährtin wieder ganz ihm gehören.
    Jaromir willigte erst ein, als Kerstin meinte, dass die körperliche Nähe der Eltern bei Victoria eine Reaktion hervorrufen könnte. Jede Aussicht auf Veränderung ließ Jaromir hoffen. Trotzdem wollte er Victorias Mutter nicht begegnen. Zu lebendig erinnerte er sich noch an ihre Ablehnung ihm gegenüber. Für ihre Vorwürfe hatte er keine Kraft.
    Die machte er sich selbst ununterbrochen.
    Den Raum wollte er nicht verlassen und so wurde Victorias Krankenzimmer mit hellen, bodenlangen Vorhängen vom Rest des Schlafzimmers abgetrennt.
    Um vierzehn Uhr begleitete Kerstin eine schluchzende Giesela und einen mühsam gefassten Hartmut in das Schlafzimmer der Gefährten. Weder ihm noch ihr waren die beeindruckenden Umbauten im Haus Brookstedt aufgefallen. Sie waren in Gedanken nur bei ihrer Tochter.
    Lenir stand auf, als die drei das Zimmer betraten, und zog sich wortlos vom Krankenbett zurück.
    „Oh nein!“, rief Giesela geschockt bei Victorias Anblick. „Meine kleine Victoria! Was machst du nur für Sachen?“ Sie nahm ihre Tochter behutsam in den Arm und ließ ihren Tränen freien Lauf.
    Hartmut streichelte seiner Frau wortlos den Rücken,

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