Machtlos
setzte.
In diesem Moment zerriss eine Barriere in ihr.
Egal! Sie zwang weiter die astrale Kraft durch ihren Körper. Sie selbst war nun das Leuchtfeuer. Die magische Energie rauschte wie eine mächtige Flutwelle durch ihre Adern und ließ sie innerlich verbrennen.
Aber es funktionierte. Immer wieder sendete sie:
„HILFE! DÄMONEN!“
„HILFE! DÄMONEN!“
„HILFE! DÄMONEN!“
Und dann sah sie die Nebel aufreißen. Erst kam ein Schwarzer, dann ein Roter und zwei Blaue. Es folgten weitere Drachen aller Farben und jeder wandte sich sofort dem wirbelnden Kokon zu und griff die Nachtmaare an.
„Wir sind gerettet“ , dachte Victoria dankbar und wollte aufhören zu senden. Doch sie konnte nicht. Immer weiter schoss der magische Strom durch ihren Körper und verbrannte sie.
Sie stand in magischen Flammen.
Victoria schwanden die Sinne.
Doch dann war plötzlich Jaromir an ihrer Seite. Er sah schlecht aus. Seine sonst mattschwarzen Schuppen waren aschfahl.
Sie sah in seine wunderschönen, warmen, braunen Augen und dann dehnte sich die Zeit. Es musste zu schneien begonnen haben, doch der Schnee war in der Luft festgefroren und segelte nicht mehr zu Boden. Alle Drachen verharrten wie erstarrt. Selbst die im Flug.
Es gab nichts mehr, was eine Bedeutung hatte – nichts außer ihnen beiden.
Vor Victorias Augen zog jede Sekunde, die sie mit Jaromir erlebt hatte, vorbei. Ihre erste Begegnung an der Uni. Der Sturz in seine Arme in dem kleinen Buchladen von Frau Meier. Das Picknick im Projensdorfer Gehölz. Der erste Kuss. Die unzähligen, gemeinsamen Magieübungen. Die Mathevorlesungen. Noch mehr Küsse. Der erste gemeinsame Flug. Die Angriffe der Roten. Die nachtlosen Tage in Nordschweden. Der Kampf gegen die Armee der Roten. Die Treffen mit ihren Freunden. Sein Heiratsantrag an der Nordsee. Ihre Pläne für die Hochzeit und immer wieder unzählige Umarmungen, Küsse und Liebe, die für ein ganzes Leben reichte.
Sie wollte nicht eine Erinnerung missen und schloss sie wie unzählige kostbare Schätze tief in ihrem Inneren ein. „Danke! Danke mein Liebster – für alles!“
Sie sah das Entsetzen in seinen Augen und hörte sein Flehen: „Bleib bei mir, Victoria! BITTE BLEIB BEI MIR!“
Doch dann begann der Schnee unerbittlich wieder zu fallen und Drachen jagten über ihre Köpfe hinweg.
Sie fühlte Jaromirs Schmerz, spürte wie sie in sich zusammensackte, obwohl sie doch stehen bleiben wollte. Er fing sie mit seinen Vorderläufen behutsam auf. Sie brannte noch immer.
Dann wurde es dunkel um sie herum.
Von irgendwo hörte sie eine hektische Stimme, die befahl: „Schnell, leg sie in den Schnee!“
Sie kannte die Stimme. „Was macht denn Hoggi hier?“ , fragte sie sich verwundert und hörte noch, wie der Schnee zischend unter ihrer Wange verdampfte.
Endlich versank sie in einer willkommenen Kälte. In der absoluten Schwärze leuchtete ein kleines, verlockendes Licht auf und wurde immer größer. Es strahlte sanft und verhieß Erlösung von jedem Schmerz.
Das Letzte, was sie wahrnahm, war ein verzweifelter Schrei. „NEEEEEIIIIIIN! VICTORIAAAAAA!“
Er gehörte Jaromir.
46. Dunkelheit
Sie schwebte in geräuschloser Schwärze. Sie wollte zum Licht, doch er ließ sie nicht gehen. Unerträglicher Schmerz erfüllte jede Zelle ihres Körpers. Sie hatte noch immer das Gefühl, in Flammen zu stehen.
Sie wollte so gern zum Licht. Das sanfte Leuchten versprach Erlösung und dennoch ließ er sie nicht gehen. Warum? Sie verstand es nicht. Er liebte sie doch! Das wusste sie so sicher und trotzdem hielt er sie hier in der Dunkelheit fest und ließ sie leiden.
Außer an seine Liebe und an dieses unsägliche Feuer erinnerte sie sich an nichts mehr.
Und das war auch gut so.
Das hier war ihr schon zu viel.
Einmal versuchte sie, seiner lockenden Stimme zu folgen, doch die Schmerzen wurden so unerträglich, dass sie schließlich schrie: „Ich verbrenne!“ und sich verzweifelt wieder zum Licht treiben ließ.
Da endeten die Schmerzen ganz plötzlich. Sie waren zwar noch da, aber sie gehörten nicht mehr zu ihr.
Wieder lockte seine Stimme. Immer wieder rief sie zärtlich einen Namen: „Victoria!“
Es dauerte lange, bis sie begriff, dass das ihr Name war.
Seine liebevollen Rufe hörten nicht auf. Genau so wenig wie die fürchterlichen Schmerzen. Er ließ sie nicht ins Licht gehen.
Sie lernte, dass sie laut rufen musste: „Hilfe! Ich verbrenne!“ und schon nahm der Schmerz eine Weile von ihr
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