Machtlos
Astralenergie gespendet und seine Leute geschickt?“
Jaromir nickte mit einem schiefen Grinsen. „Ja, so ist es. Ich kann es selbst kaum glauben, aber die Roten haben einen großen Schritt auf uns zu gemacht. Jalina kann das natürlich nicht hinnehmen. Gerade jetzt nicht, wo sie versucht, die Macht noch stärker an sich zu reißen. Abrexar sagt, dass sie zum Gegenschlag ausholt. Es wird noch eine Sitzung geben und in der wird es darum gehen, was mit uns Gefährten passieren soll. Aber keine Sorge, Kleines, Abrexar bereitet sich nach Kräften vor.“
„Ach, darum hat er immer nur kurz bei uns reingeguckt“, bemerkte Victoria verstehend. Ihre Fähigkeit, auch die Gedanken abgeschirmter Drachen zu hören, war schon am Dienstag zurückgekehrt. Genau wie das Abschirmen ihres Geistes. Linea hatte angeordnet, dass sie vorerst absolut keine Magie wirken durfte, aber weder das Gedankenhören noch das Abschirmen steuerte sie bewusst. Es passierte einfach.
Sicher hatte Abrexar besorgniserregende Informationen über das, was Jalina vorhatte und wollte sie damit nicht belasten. Er war tief erleichtert und überglücklich gewesen, als er sie und Jaromir am Dienstag besucht hatte, auch wenn er bemüht war, seine Gefühle nicht zu zeigen.
„Wie er sich wohl gefühlt hat, als er sich entschied, die Gefallen für Lenir und Kerstin aufzusparen? Er ist immer ganz der Stratege… und doch habe ich gesehen, dass ihn allein schon die Erinnerung an diesen Moment echt fertig macht… ich … ich bewundere seine Stärke, in so schlimmen Situationen trotzdem noch die richtigen Entscheidungen treffen zu können – so schmerzhaft sie auch sind. Ich glaube nicht, dass ich das könnte…“
„Er hatte Jahrhunderte Zeit, das zu lernen“ , antwortete Jaromir ruhig. „Abrexar hat schon früh seine besten Freunde verloren… Er ist durch eine harte Schule gegangen. Er gibt niemanden leichtfertig auf.“
„Apropos Gefährten“, meinte Kerstin. „Hat einer von Euch schon was von Benan und Naira gehört?“
Lenir nickte. „Narex hat mir erzählt, dass sie noch immer bei Noran sind und so langsam begreifen, was es bedeutet, Gefährten zu sein. Er hat in den letzten Tagen ab und zu den Kontakt zwischen Noran und Hoggi hergestellt, damit die beiden sich austauschen können.“
„Warum hat Hoggi Noran denn nicht einfach besucht?“, fragte Victoria verwirrt.
Jaromir lächelte nachsichtig. „Solange Linea dich nicht für geheilt erklärt, geht dein Mentor freiwillig nirgendwo hin – so stark kann seine Neugier gar nicht sein. … Und Noran weiß, dass es bei uns in den letzten zwei Wochen etwas … nervenaufreibend war. Er wollte nicht stören.“
Victoria nickte langsam. Sie kam noch nicht damit klar, dass sich alle so um sie sorgten. Ihre Mutter war am Dienstag gleichzeitig heulend und lachend ins Zimmer gestürzt und hatte sie gar nicht wieder loslassen wollen. Ihr Vater hatte seinen beiden Frauen stumm lächelnd dabei zugesehen. Seine Gefühle waren Achterbahn gefahren, denn er erinnerte sich nur zu gut an die Tage, an denen er befürchtet hatte, dass sie sterben würde. Als Giesela sie endlich freigab, nahm auch Hartmut seine Tochter in den Arm und flüsterte: „Kinder dürfen nicht vor ihren Eltern sterben, hörst du, Vici? Vielleicht wusstest du das ja nicht, aber jetzt weißt du es. … Du musst mich um mindestens hundert Jahre überleben, hörst du?“ Er hatte ihr zugezwinkert und laut gesagt: „Hundert Jahre – nicht vergessen, Vici.“
Sie hatte lächelnd genickt. „Mindestens hundert Jahre, Papi. Das verspreche ich dir.“
Hartmut hatte noch einmal ihre Hand gedrückt und dann war ihm doch eine Träne über die Wange gelaufen.
Victoria atmete tief durch. Diese Erinnerungen nahmen sie immer noch sehr mit. Überrascht hatte sie bemerkt, dass sich das Verhältnis zwischen Jaromir und ihrer Mutter deutlich entspannt hatte. Von der alten Furcht vor seinem wahren Wesen war kaum noch etwas zu spüren. Jaromir hatte ihr erzählt, dass ihre Eltern, während sie im Koma lag, gar keine Angst vor ihm hatten. Die Angst um die Tochter hatte alles andere überlagert. Nun flackerte ab und zu schwaches Unbehagen auf, doch die gemeinsame Wache an Victorias Bett wischte alle Bedenken fort. Für Hartmut und Giesela stand unverrückbar fest: Jaromir liebt Victoria. Er gehört zur Familie. Victoria lächelte. „Mama hat ihn nicht nur akzeptiert, sondern schon fast adoptiert…“
„Hey, Kleines“, nahm sie Jaromirs entfernte Stimme
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