Machtlos
stündlich besser und bereits am nächsten Tag konnte sie aufstehen.
Für eine schwere Krankheit war ihre Genesung unverhältnismäßig schnell gegangen. Das hatte sie nachdenklich gemacht und so hatte sie Nachforschungen angestellt. Glücklicherweise verfügten die Blauen über eine riesige Bibliothek, denn sie hatten sich vor etlichen Jahrhunderten bei dem großen Zusammenschluss allen Wissens in der Bibliothek der Goldenen nicht beteiligt. Die Abteilung für den Bereich Heilung war beachtlich und nach einigen Tagen des Studiums fand Sharrah, wonach sie suchte.
Die Samen des Lattozarstrauches waren hochgiftig. In einer geringen Dosis jedoch, als Tee aufgebrüht, wirkten sie bei einmaliger Einnahme leistungssteigernd und schmeckten hauchzart nach Holunder. Der Grund, warum von diesem Mittel abgeraten wurde, war, dass der Tee sehr schnell abhängig machte und dann seine positive Wirkung verlor. Außerdem wurde vermutet, dass sich die längere Einnahme negativ auf die Fruchtbarkeit auswirken konnte. Der Entzug wurde als sehr schmerzhaft beschrieben und die Symptome passten genau zu dem, was Sharrah hatte durchmachen müssen.
Sie hatte eine halbe Ewigkeit darüber nachgegrübelt, wie sie das Gift hatte unbemerkt zu sich nehmen können, vor allem über einen entsprechend langen Zeitraum. Schließlich war sie zu dem Schluss gekommen, dass es in dem Tee beigemischt sein musste, den die Goldenen jeder Grünen einmal in der Woche in der rituellen Dankeszeremonie reichten.
Aber warum sollten die Goldenen so etwas tun? Es machte keinen Sinn und doch war es die einzige Erklärung. Außerdem machten die Goldenen um den Tee ein großes Geheimnis. Nur ihre Rasse kannte das Rezept und war mit der Herstellung betraut.
Jetzt, mit etwas Abstand, erinnerte sie sich daran, dass sie in den ersten Wochen nach ihrer Aufnahme in die Reihen der Jungdrachen immer ganz aufgekratzt nach der Teezeremonie gewesen war. Sie hatte es allerdings auf das Ritual an sich zurückgeführt so wie all ihre Schwerstern auch, denn dass sie an der Zeremonie teilnehmen durften, zeigte, dass sie endlich erwachsen waren und nun sogar von den Goldenen respektiert wurden.
Sie schloss müde die Augen. Plasch hatte recht. Sie durfte ihre Schwestern nicht länger im Dunklen lassen. „Doch was wird passieren, wenn ich die Wahrheit enthülle?“
Sie dachte daran, wie hinterhältig Fahimja ermordet worden war und daran, dass sie den Mord in der Unfallinszenierung fast nicht erkannt hätte. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Jalina einfach alles zugeben und sich demütig entschuldigen würde.
Ohnmächtige Angst übermannte Sharrah. Die Goldenen waren geschickt und skrupellos in solchen Dingen. Sie würden bestimmt irgendwie aus dieser Sache herauskommen. Wahrscheinlich waren es am Ende ihre grünen Schwestern, die bezahlen mussten.
Als Sharrah die Augen wieder öffnete, schimmerte Hoffnungslosigkeit in ihnen. „Die Goldenen haben uns über Jahrhunderte hinweg getäuscht und uns – warum auch immer – mit diesem Tee vollgepumpt. Sie haben Pfefferminz und andere Blätter mit intensivem Aroma untergemischt, damit der zarte Holundergeschmack nicht durchkommt. Sie haben uns ganz bewusst all diese Jahrhunderte vergiftet.
Glaubst du wirklich, ich kann da aufkreuzen und der ganze Spuk ist vorbei? Irgendjemand wird dafür zahlen müssen. Und ich will es nicht sein!“
Tränen traten in ihre Augen und sie wandte sich ab, als sie weitersprach: „Ich will wenigstens einmal mein eigenes Gelege pflegen dürfen. Ich wünsche mir so, meine eigenen Jungen schlüpfen zu sehen… Alles würde ich dafür geben… Alles!“
Plasch seufzte. Es hatte keinen Zweck, weiter auf Sharrah einzureden. Ihre Angst und Trauer füllten erdrückend den Raum und auch sein eigenes Herz war schon ganz schwer.
Wenn er ihr davon erzählte, dass ihr Paarungsflug bereits als Gerücht die Runde machte und Abrexar davon erfahren hatte, würde sie sicher in Panik geraten. Das machte erst recht keinen Sinn.
Wenigstens hatte der Schwarze ihn direkt darauf angesprochen, so dass Plasch alles abstreiten konnte. Er würde Sharrah nicht verraten. Niemals. Und Abrexar war ebenfalls verschwiegen. Er hielt nichts davon, Gerüchte weiterzuerzählen. Es konnte also noch eine Weile gutgehen. Doch irgendwann würde Jalina davon Wind bekommen. Er konnte nur hoffen, dass die Jungen dann schon geschlüpft waren, doch bis dahin dauerte es noch deutlich länger als ein Jahr.
Sharrah sah ihn
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