Machtlos
Kerstin fiel etwas auf. „Aber dann hätte Jalina doch trotzdem den Plan in ihrem Kopf gehabt und die Absicht, Tylarr so zu manipulieren, dass er ihren Plan umsetzt! Gilt das denn nicht?“
Abrexar sah Kerstin aufmerksam an. „Damit hast du natürlich recht. Und genau das ist der springende Punkt: Sie darf keinen Plan im Kopf haben, den sie, wie auch immer, zur Umsetzung bringt.“
Die vier sahen den alten Schwarzen verständnislos an und so fuhr er fort: „Die Goldenen sind die unangefochtenen Meisterinnen der Täuschung und Jalina ihre Königin. Sie muss die einzelnen Bestandteile des Planes in ihrem Geist streng voneinander getrennt haben, so dass sie kein Ganzes ergeben, denn sonst“ – er nickte Kerstin anerkennend zu – „hätte das unbrechbare Versprechen sie ihrer astralen Kräfte beraubt.“
„Wie hat sie denn dann geplant?“, fragte Kerstin ratlos. „Das verstehe ich nicht.“
„Das ist auch schwer zu verstehen. Wie gesagt, Jalina hat einen hochdisziplinierten Geist. Ich gehe davon aus, dass sie ein … Wie soll ich das ausdrücken? … Sie hat ein sehr bewusstes Unterbewusstsein, das die Einzelteile des Plans koordiniert. Das Unterbewusstsein wird von dem Versprechen nicht berührt und so entgeht sie der Bestrafung.
Diese Vorgehensweise ist nicht unproblematisch. Das Unterbewusstsein arbeitet nicht zielgerichtet wie das Bewusstsein. Darum hat Jalina für die Planung auch lange gebraucht. Außerdem ist das Risiko sehr hoch. Gelangt der Gesamtplan doch ins Bewusstsein, so greift das unbrechbare Versprechen. Um auf das Beispiel zurückzukommen: Jalina darf nicht mal darüber nachdenken, dass die Hasen ihren Rosen Schaden zufügen könnten oder gar getötet werden sollten.“
„Scheiß Rosen…“, bemerkte Lenir unwillig.
Victoria war ganz blass geworden und stellte leise fest: „Sie wird nie aufgeben, oder? Solange sie Macht hat, wird sie versuchen, uns zu töten.“
Abrexar nickte. „Ich befürchte, damit hast du Recht, Victoria.“
Jaromir wollte schützend seinen Arm um sie legen, doch Victoria straffte sich und erklärte entschlossen: „Ich werde an der nächsten Sitzung teilnehmen.“
„Was?“, rief ihr Gefährte aufgebracht. „Du bist noch nicht mal eine Woche aus dem Koma erwacht und schon willst in die Höhle des Löwen? Glaubst du wirklich, Jalina lässt sich so eine Gelegenheit entgehen? Die Himmelszitadelle ist ihr Hoheitsgebiet! Und sie hat uns Gefährten doch ohnehin schon auf dem Kieker und macht uns für die Situation an den Toren verantwortlich.“
„Ganz genau, Jaromir“, stellte sie trotzig fest. “Glaubst du wirklich, unsere Situation wird besser, wenn wir weiter bloß zusehen? Nur wenn wir wissen, was sie vorhat, werden wir verhindern können, dass ihr nächster Anschlag Erfolg hat. Ich habe es satt, nach ihrer Pfeife zu tanzen oder mich zu verstecken. Ich will endlich frei sein! Also, Abrexar, wann ist die nächste Sitzung?“
„Ganz so einfach ist es nicht, Victoria“, gab der alte Schwarze ruhig zurück. „Die Sitzungen sind zwar öffentlich, aber nur für Mitglieder unserer Gesellschaft und du bist kein Drache…“
„Pah! Du kannst Jalina sagen, dass durch meine Meridiane in den letzten zwei Wochen mehr Drachenastralkraft geflossen ist, als durch so manche ihrer Adeptinnen ein Leben lang. Und spätestens wenn Jaromir und ich verheiratet sind, bin ich doch wohl ein «Mitglied eurer Gesellschaft», oder etwa nicht?“
Abrexar nickte. „Das stimmt. Allerdings ist die Sitzung schon am nächsten Sonntag…“
„Dann ziehen wir die Hochzeit eben vor“, entgegnete Victoria entschlossen.
Der Schwarze betrachtete sie nachdenklich. „Ich vermute, dass das gar nicht nötig sein wird. Jalina sieht dich nicht als akute Bedrohung und wenn ich mich geschickt anstelle, kann ich sie dazu bringen, dich vorzuladen. Dazu müssen meine Agenten nur ein paar Informationen streuen.“
Jaromir hätte ihn für diesen Vorschlag am liebsten mit Blicken getötet.
Victoria spürte die Angst ihres Gefährten. Falls sie tatsächlich an der Sitzung teilnahm, würde Jalina diese Gelegenheit sicher nicht ungenutzt verstreichen lassen. Er hatte so verzweifelt um ihr Leben gekämpft, dass er den Gedanken, seine Gefährtin könnte auch nur in die Nähe der goldenen Königin gelangen, kaum ertragen konnte.
„Ich weiß, Liebster, ich weiß… Aber das hier wird nie aufhören. Wenn wir uns nicht wehren, wird Jalina uns umbringen – vielleicht nicht am nächsten Sonntag, aber
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