Machtlos
macht mich schon nervös.“
Jaromir grinste. „Mich auch. Aber wir sind gut vorbereitet und die meiste Zeit werden wir einfach nur herumstehen und zuhören. Die anderen werden gut auf uns aufpassen. Vielleicht wird uns sogar langweilig…“
Victoria lachte ironisch. „Das kann ich mir kaum vorstellen! Nicht, nachdem Abrexar uns verraten hat, was sich unter «Verschiedenes» verbirgt. Grimmarrs Entmachtung und die Zwangsverlegung aller Gefährten in die Zitadelle. Ich hoffe, wir dürfen nach der Sitzung überhaupt noch nach Hause.“
„Sicher dürfen wir das“ , versuchte Jaromir sie zu beruhigen, doch sie spürte, dass seine Zuversicht nicht so groß war, wie er vorgab.
Er lächelte sie an. „Dir kann ich echt nichts vormachen, was?“
Victoria schüttelte den Kopf und sah in seine warmen, braunen Augen. „Nicht wirklich…“
Jetzt nachdem alle Vorbereitungen abgeschlossen waren und es nichts mehr zu tun gab, außer sich für den kommenden Tag auszuruhen, kroch eine diffuse Angst in Victorias Herz. Sie betrat morgen das Haus der Person, die mehrfach versucht hatte, sie umzubringen. Eigentlich war das Wahnsinn.
Doch in Wahrheit war sie selbst die Bedrohung. Sie war eine gut getarnte Geheimwaffe. Sie war der Trumpf in Abrexars Ärmel, der das Blatt wenden sollte. Grimmarr hatte dem Truchsess der Schwarzen in den letzten Tagen unter vier Augen von der zweiten Prophezeiung erzählt.
«Wenn Drache und Mensch am Atem des Dämons sterben, bricht ein neues Zeitalter an.» Beide waren sich einig darin, dass dieses neue Zeitalter bevorstand. Nur, wie würde es aussehen? Würde es wieder eine starke Gemeinschaft von Gefährten geben oder würde Jalina sie alle vernichten?
„Kann das wirklich sein? Wird es einen einschneidenden Wandel geben? Beginnt er vielleicht schon morgen? … Und wie geht es dann weiter?“ , fragte sie sich hin- und hergerissen zwischen Hoffnung und Angst. Es konnte alles geschehen! Mit einem Mal fühlte sich Victoria so lebendig wie noch nie. Sie hatte keine Ahnung, was morgen sein würde. Aber heute war sie hier. Frei und voller Tatendrang.
Sie sah aus dem Fenster. Es hatte den ganzen Tag geschneit und noch immer rieselten dicke, weiße Flocken leise zu Boden. Ihr kam ein Gedanke und sie grinste.
Ihr Gefährte grinste zurück und flüsterte lächelnd: „Eine gute Idee! Ich könnte jetzt sowieso nicht schlafen.“
Auf dem Weg nach draußen schnappte sich Victoria Mütze und Jacke. Lachend liefen die beiden in den Park. Jaromir erhellte die Dunkelheit mit einer kleinen, magischen Flamme, die ihnen von allein folgte.
Sie tobten durch die weiße Pracht und bewarfen sich kichernd und kreischend mit Schnee bis sie laut nach Luft japsten und vor Lachen nicht mehr konnten. Schließlich ließen sie sich auf einer Lichtung einfach fallen und machten Schneeengel mit ihren Armen und Beinen.
Es hatte aufgehört zu schneien und durch eine Wolkenlücke konnte man die Sterne am Himmel funkeln sehen. Jaromir und Victoria lagen auf dem Rücken und hielten sich an den Händen.
„Hier könnte ich ewig liegen“ , dachte Victoria und hätte den Moment am liebsten festgehalten.
Jaromir drehte sich zu ihr um und griff nun auch nach ihrer zweiten Hand. „Dann würden deine bezaubernden Hände aber ganz schnell absterben – sie sind schon eiskalt. Du hättest Handschuhe mitnehmen sollen…“
„Wozu brauche ich Handschuhe, wenn ich dich haben kann?“, fragte sie kichernd.
„Auch wieder wahr.“ Mit diesen Worten erweiterte er den Klimazauber, so dass auch Victoria in Wärme gehüllt wurde. Er lächelte sie an und ließ heißes Glück in sie hineinrieseln.
Sie sah in seine hell leuchtenden Augen und wollte darin ertrinken. Sie brauchte nichts auf dieser Welt – nur ihn. „Küss mich!“
Er sah sie einen Moment lang lächelnd an, fast so, als wollte er sich jede Einzelheit ihres schönen Gesichts für immer einprägen. Dann schloss er seine Augen und hauchte einen zärtlichen Kuss auf ihre Stirn. Seine Lippen waren warm und weich wie Seide. Sie bedeckten ihre Augen, ihre Nase und endlich auch ihren Mund mit zarten Küssen und weckten die Schmetterlinge in Victorias Bauch.
Leidenschaftlich küsste sie ihn zurück.
Sie lebte! Heute und jetzt. Und diese Nacht war noch lange nicht zu Ende.
Am nächsten Morgen bekam Victoria ihr Frühstück kaum hinunter. Sie aß nur wenig. Das war vielleicht auch besser so, da sie unmittelbar nach dem Frühstück durch die Nebel in die Himmelszitadelle der
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