Machtlos
Öffnung der Tore zu erwarten haben. Bevor ich gleich das Wort an den Wächter der Wächter übergebe, möchte ich jedoch die Gelegenheit nutzen und einen ganz besonderen Gast begrüßen.“
Sie sah Victoria direkt an und die Gefährtin spürte ihre ehrliche Freude darüber, dass sie hier war. „Meine liebe Victoria von den Schwarzen, herzlich willkommen in unseren Reihen. Ich bin hocherfreut, dich endlich kennenzulernen und sehr froh, dich gesund und munter zu sehen. Vielen Dank, dass du meine Einladung angenommen hast und bereit bist, uns später noch ein paar Fragen zu beantworten.
Da du vor wenigen Wochen fast an dem fürchterlichen Angriff der Nachtmaare gestorben wärst und sicher noch immer an den Folgen zu tragen hast, möchte ich dir schon jetzt meine Dankbarkeit aussprechen und meinen aufrichtigen Respekt zollen.“
Jalina verneigte anmutig ihr Haupt und klatsche ihre Schwingen aneinander.
Die anderen Drachen fielen mit ein. Alle Blicke waren auf Victoria gerichtet und sie wurde prompt rot. Sie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte und nickte den Drachen unsicher zu.
Jalina lächelte sie noch immer freundlich an und Victoria stellte überrascht fest, dass die Goldene tatsächlich jedes Wort so gemeint hatte, wie sie es sagte.
„Jalina will meine Freundin sein?!“ Sie ist um meine Gesundheit besorgt und hätte getrauert, wenn ich gestorben wäre. Sie wünscht mir nichts Schlechtes und will schon gar nicht meinen Tod!“
Victoria war fassungslos. „Abrexar hat sich getäuscht! Jalina plant gar nichts gegen uns! Sie steht auf UNSERER Seite! Ich kann ihr vertrauen. Ich kann ihr wirklich…“
Plötzlich hielt Victoria inne, denn mit einem Mal schlug ihr für eine Sekunde unbändiger Hass entgegen. Sie suchte nach dem Drachen, der auf ihrem Grab tanzen wollte und stellte verwirrt fest, dass das Jalina sein musste.
Jetzt verstand Victoria gar nichts mehr!
Die Drachen klatschen noch immer ausdauernd ihre Schwingen aneinander und Jalinas Lächeln war ihr anerkennend zugewandt. Vielleicht eine Spur weniger lebendig als noch gerade eben, aber ganz eindeutig höchst freundlich.
Schließlich legte die Königin der Goldenen ihre Schwingen mit einer eleganten Bewegung an. Nun verstummte auch der Applaus der anderen Drachen.
Jalina richtete das Wort respektvoll an Abrexar, der vortrat und die Ergebnisse seiner Untersuchungen anschaulich präsentierte. Victoria hörte ihm kaum zu. Sie beobachtete unauffällig Jalina.
Nachdem sie das Gedankenmuster der Königin einmal gesehen hatte, brauchte sie zum Glück nicht mehr in die Richtung der Goldenen schauen, um ihren Geist lesen zu können.
In den ersten Minuten des Vortrags hörte Jalina Abrexar aufmerksam zu. Sie war wirklich erleichtert über das, was Abrexar sagte und dankbar, dass sie so einen fähigen, schwarzen Wächter hatten, der die Situation offensichtlich wieder voll im Griff hatte. Seine Nachlässigkeit in den letzten Wochen hatte sie ihm verziehen, allerdings musste sie aus Verantwortung für all die anderen Drachen dafür sorgen, dass so etwas nie wieder vorkommen konnte.
Victoria war schon bereit zu glauben, dass sie sich vorhin getäuscht haben musste, aber dann passierte es wieder. Abrexar hatte eine Weile gesendet und nun endgültig die Aufmerksamkeit der Drachen auf sich gezogen, da spürte Victoria eine Welle des Hasses und unwilligen Respekts.
Wieder waren es zweifellos Jalinas Gedanken: „Mist! Der alte Knabe hat sich schon von der letzten Sitzung erholt und ist wieder voll da. Ich hatte wirklich gehofft, es würde ihn stärker aus der Bahn werfen. Wenn ich ihn nicht bald außer Gefecht setze, wird er mir noch ernsthaft schaden.“
„Wie kann das sein?“ , dachte Victoria verwirrt. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich meinen, dass dort vorne zwei grundverschiedene Drachen stehen, die abwechselnd denken.“
Jaromir hatte Victorias Wahrnehmung und ihre Gedanken aufmerksam geteilt. „Offensichtlich sehen wir gerade den Grund, warum Jalina immer so überzeugend ist. Sie spielt kein Theater, sondern sie denkt und fühlt wirklich das, was sie sagt. Echter geht es nicht…“
„Aber wie kann das sein?“ , wollte Victoria wissen. „Ist sie etwa schizophren?“
„Das kann ich mir nicht vorstellen. Bei dieser Krankheit kann der Betroffene nicht nach Belieben zwischen den Persönlichkeiten hin- und herschalten, so wie Jalina es offensichtlich tut. Nein… ich glaube eher, dass sie gelernt hat, etwas aus verschiedenen
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