Machtlos
klar, wie wenig Menschen und Drachen tatsächlich gemein hatten.
„Wie konnte ich nur auf die irrwitzige Idee kommen, an dieser Sitzung teilnehmen zu wollen?“ , fragte sie sich mit aufwallender Panik. „Ich bin für diese Wesen doch nur ein merkwürdiger Käfer. Sie werden mich einfach zerquetschen! Ich muss hier weg!“
Sofort trennte eine unangenehm vertraute Distanz sie von ihren Gefühlen.
„Ganz ruhig, Kleines“ , hörte sie Jaromirs konzentrierte Gedankenstimme. „Ich bin hier. Du kennst meine wahre Gestalt. Erinnere dich an die vielen Stunden, in denen wir auf dem Plateau die Aussicht genossen haben. Auch da war ich ein Drache und du hast dich zwischen meinen Vorderläufen geborgen gefühlt. Wir sind Gefährten. Du gehörst zu uns Drachen.“
Seine Worte und der Zauber halfen. Victorias Angst ebbte ein wenig ab.
Sie spürte, wie ihr Gefährte kurz Zwiesprache mit Mandolan hielt. Dann lächelte er sie an und seine vertrauten, braunen Augen waren voller Wärme. „Mandolan meint, du kannst auch auf meinem Rücken bleiben. Vielleicht geht es dir damit besser. Möchtest du es versuchen?“
Sie nickte dankbar und eine Sekunde später hatte Mandolan sie auf Jaromirs Rücken gehoben.
Er nickte ihr aufmunternd zu. „Du lässt dich jetzt doch wohl nicht einschüchtern, oder Victoria? Das hast du gar nicht nötig. Lass dich von ihren körperlichen Maßen nicht blenden – die meisten von ihnen überflügelst du schon jetzt. Denk immer daran: In der Magie ist die physische Größe nicht von Bedeutung. Sieh dir Hoggi an und du weißt, dass das die Wahrheit ist.“
Victoria nickte hölzern. Mandolan hatte recht.
Sie atmete tief durch und sah sich um. Auf Jaromirs Rücken ging es ihr tatsächlich besser. Langsam beruhigte sie sich.
Dann betrat eine Gruppe Goldener den Raum und plötzlich kam Bewegung in die Drachen. Gespräche wurden beendet und die vermengten Farben der Drachenrassen trennten sich wie von Geisterhand.
Victorias Gruppe war noch nicht weit in die Halle vorgedrungen, doch sie hatten offensichtlich schon ihr Ziel erreicht. Rechts vom Eingang sammelten sich die Blauen und daneben die Roten. Links standen die Weißen gefolgt von den Schwarzen und Grünen. Gegenüber dem Eingang stellten sich die Goldenen würdevoll und anmutig auf.
Victoria hielt nach bekannten Gesichtern Ausschau und erkannte Grimmarr auf den ersten Blick. Außerdem sah sie Linea und konnte gerade noch den Impuls unterdrücken, ihr zuzuwinken. Offiziell kannte sie die Grüne natürlich nicht. Einige Schwarze, Weiße und Blaue hatte sie bei dem spontanen Fest vor ein paar Monaten in Nordschweden getroffen, doch in ihrer wahren Gestalt sahen sich die Drachen so ähnlich, dass Victoria niemanden außer ihren engsten Freunden erkannte.
Gerade suchte sie die Abordnung der Grünen nach Tujana ab, da betrat eine zweite Gruppe Goldener den Raum. Allen voran schritt Jalina, flankiert von ihren Getreuen. Überrascht stellte Victoria fest, dass auch Lexia unter diesem Gefolge war. Das hatte sie nicht erwartet!
„Jalina hat Lexia vor zwei Tagen zur Hüterin ernannt“ , hörte sie Abrexars Gedankenstimme auf einer geheimen Frequenz, die nur seine Leute hören konnten. „Sie hat sich in den letzten Wochen offenbar als sehr nützlich für die Königin erwiesen…“
Victoria war fassungslos. „Wie habe ich mich nur so in Lexia täuschen können? Ich war fest davon überzeugt, dass sie zu uns halten würde.“
Dann trafen sich ihre Blicke für eine Sekunde und Lexia sah schnell woanders hin.
Victoria schnaufte verächtlich und dachte: „Wenigstens hat sie den Anstand, ein schlechtes Gewissen zu haben. Aber ganz ehrlich: Ihr Mitgefühl kann sie sich schenken!“
Jalina nahm majestätisch auf dem Podest Platz und ihr Gefolge reihte sich rechts und links davon auf. Die Königin war strahlend schön und wirkte offen und warmherzig. Das Funkeln ihrer diamantenbesetzten Schuppen verliehen ihr ein überirdisches Leuchten. Sie begann mit angenehmer Gedankenstimme zu senden: „Meine lieben Freunde. Ich möchte euch alle zur heutigen Sitzung begrüßen.“
Jalina sprach Latein. Jetzt zahlte sich Victorias Unterricht aus. Mit ein klein wenig Hilfe von Jaromir verstand sie jedes Wort.
„Gleich wird der Truchsess der Schwarzen uns die Ergebnisse der Torexaminationen vorstellen.“ Die Goldene lächelte ermutigend in die Runde. „Ich will dem Truchsess nichts vorwegnehmen, aber ich darf so viel verraten, dass wir heute ganz sicher keine
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