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Machtrausch

Machtrausch

Titel: Machtrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer C. Koppitz
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nicht ohne zu zögern zugestimmt hätten .«
    »Man muss eben alle Figuren ins Kalkül ziehen, die noch auf dem Brett stehen, und das haben Sie gemacht .« Der CFO rief seine Sekretärin durch die geöffnete Bürotür herein, woraufhin die ältere Dame, die wie eine englische Gouvernante zu Zeiten Königin Victorias aussah, eine Kanne Kaffee sowie eine dünne, grüne Mappe brachte. Nagelschneider schenkte beiden eine Tasse Kaffee ein und lehnte sich in dem modernen schwarzen Ledersessel zurück, in dem er, Glock gegenüber, in der Besprechungsecke saß. Sein Büro war an zwei Ecken verglast und mindestens 100 qm groß. Man hatte einen sagenhaften Blick auf die Altstadt von München und konnte die Zwillingstürme der Frauenkirche fast mit Händen greifen. Glock war schon mehrmals in diesem Büro gewesen, hatte allerdings immer nur Unterlagen im Auftrag seines Chefs hier abgeliefert. Kaffee hatte er hier oben bislang noch nie serviert bekommen. Allerdings war er vor etwa einem Jahr überraschend zu einer Dinnerparty bei Nagelschneider eingeladen worden. Die Gründe für das Zustandekommen dieser ungewöhnlichen Einladung hatte er in eine schwer zugängliche Ecke seines Gedächtnisses verdrängt. Würde er jetzt die Früchte von damals ernten? Der vielbeschäftigte Nagelschneider vermittelte ihm heute den Eindruck, als wollte er sich für dieses Gespräch alle Zeit der Welt nehmen. Nachdem die Gouvernante den Raum verlassen hatte, schloss sie die massive Holztür hinter sich. Nagelschneider beugte sich weit über den Glastisch zwischen ihnen, so weit, dass Glock die feinen, grauen Härchen in seinem linken Ohr sehen konnte, und fragte mit leiser Stimme:
    »Sie wollen den Job Ihres Vorgesetzten, wenn dieser pensioniert wird. Richtig?« Glock freute sich über die Direktheit.
    »Ja. Und ich bin sicher, dass ich der Beste für diese Aufgabe bin !« , erwiderte er in ruhigem, bestimmtem Ton. Da lehnte sich der CFO im Sessel zurück, klopfte sich einmal auf die Oberschenkel und stieß ein heiseres Lachen aus.
    »Um das beurteilen zu können, müssten Sie erst einmal etwas über den Job Ihres Chefs wissen. Sie wissen aber gar nichts! Niente!« Sein Gegenüber hielt sich an der Kaffeetasse fest.
    »Nein, nein, keine Sorge, es ist nicht Ihre Schuld. Sie sind heute hier, damit ich Ihnen ein wenig mehr über Ihren zukünftigen Job erzähle. Und wenn wir dann beide immer noch zu der Auffassung gelangen, dass Sie der Richtige sind, sehen wir weiter. Aber zunächst …« Nagelschneider zog ein Blatt Papier aus der Unterlage und reichte es Glock zusammen mit einem Kugelschreiber aus Bakelit »… müssen Sie mir dies hier unterschreiben – nur für den Fall, dass wir uns letztlich doch nicht einig werden sollten .« Glock sah sofort, worum es sich handelte: Um eine kurze, aber knackige Vertraulichkeitserklärung. Die Verpflichtung zu strikter Vertraulichkeit war natürlich ohnehin Bestandteil seines Arbeitsvertrages für leitende Angestellte bei der Schuegraf AG, diese Vereinbarung hier ging jedoch weit darüber hinaus. De facto würde sich Glock auf Lebenszeit finanziell ruinieren, sollte er bestimmte Informationen, die mit der Tätigkeit des Leiters der zentralen Abteilung für Unternehmensstrategie zusammenhingen, je publik machen. Er unterschrieb ohne zu zögern und reichte Papier und Stift über den Tisch hinweg zurück. Nagelschneider legte die Erklärung sorgfältig zurück in die Mappe, bevor er anfing zu sprechen:
    »In einem großen Konzern gibt es Dinge, die findet man weder auf den offiziellen Plänen der Ablauf- und Aufbauorganisation, noch in den jedermann zugänglichen Prozessbeschreibungen und schon gar nicht in den wöchentlichen Rundschreiben. Es gibt die eine, die offizielle Seite, die unsere eigentliche Geschäftstätigkeit beschreibt: Wir forschen und entwickeln, produzieren, werben und verkaufen und zahlen davon wiederum die Löhne und Gehälter unserer Angestellten, die Rechnungen der Lieferanten und viel zu viele Steuern an den Staat. Das alles betreiben wir mit großem Erfolg seit mehr als hundert Jahren! In dieser Zeit gab es zwei Weltkriege, mehrere Weltwirtschaftskrisen, den Nationalsozialismus, den Kahlschlag vieler deutscher Industrien in den Achtzigerjahren durch die japanische Expansion, den Kalten Krieg, immer und von allen Seiten Wirtschaftsspionage, Angriffe durch Medienkampagnen, feindliche Übernahmeversuche und gegen uns arbeitende Betriebsräte. Dazu noch ungezählte kleinere Bedrohungen, die

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