Machtrausch
ehrgeizige Glock hatte vor, dieses auch zu nutzen. In der Tochterfirma hatte es Unregelmäßigkeiten bei einigen Abrechnungen mit Subunternehmern gegeben und Renate Polster hatte als Geschäftsführerin die Revision selbst angefordert, um die Sache restlos aufzuklären. Man hatte den jungen Glock geschickt, da man von einem einfachen Sachverhalt ausgegangen war, was sich schnell als Irrtum herausstellen sollte. Nach nur zwei Wochen intensiver Zusammenarbeit war es zu einem äußerst prickelnden Verhältnis zwischen der schwarzhaarigen, groß gewachsenen Renate und dem neugierigen Anton gekommen. Eines Nachts, sie waren gerade mit der Prüfung des letzten Ordners von Abrechnungen eines besonders auffälligen Subunternehmers fertig geworden, hatte Renate ihn rundheraus gefragt:
»Wollen Sie nicht auch die restliche Nacht mit mir verbringen? Viel ist davon nicht mehr übrig – und mein Mann rechnet kaum noch mit meinem Kommen …«
Glock, der zu diesem Zeitpunkt mit seiner späteren Frau Barbara zwar schon befreundet, aber noch nicht zusammengezogen war, nahm Renate mit in sein damaliges Apartment in Schwabing und überließ sich der sexuellen Raserei der Karrierefrau. Diese Nacht hatte er nie mehr vergessen. Sobald er daran dachte, auch noch zehn Jahre später, verspürte er ein deutliches Kribbeln in der Lendengegend. Die Affäre hatte vier Monate gehalten, dann hatte man Renate Polster bei Schuegraf rausgeschmissen. Offiziell ging sie auf Grund ›unterschiedlicher Auffassungen zur Weiterentwicklung des Unternehmens‹. In der Münchner Zentrale wurde jedoch offen darüber geredet, dass ihr Verhältnis mit dem damaligen Finanzvorstand, dem Vorgänger von Nagelschneider, aufgeflogen war und dessen Ehefrau die nachvollziehbaren Alternativen ›Scheidung und Skandal – oder Rausschmiss des Luders ?‹ aufgezeigt hatte. Glock, der sich stets bewusst gewesen war, keine Affäre mit der Jungfrau Maria zu haben, und die Situation des Liebhabers einer erfahrenen, verheirateten Frau durchaus genossen hatte, war diese Entwicklung dann doch zuviel des Guten gewesen, und er hatte Renate den Laufpass gegeben. Renates Scheidung folgte kurze Zeit später. Seitdem hatten sie immer wieder sporadisch Kontakt gehabt, waren einen Kaffee trinken gegangen oder auch ein Glas Wein. Seiner Frau Barbara hatte er nie etwas von seiner Affäre mit Renate erzählt. Die Ex-Geliebte, mittlerweile selbstständige Personalberaterin, hatte noch heute enge Kontakte zu den Führungsetagen des Schuegraf-Konzerns bis hoch in den Aufsichtsrat.
Er wollte Renate Polster jetzt in ihrem Büro nahe Schloss Nymphenburg besuchen und die Ereignisse mit ihr besprechen. Wenn jemand etwas Licht in die Sache bringen konnte, dann Renate mit ihrem Wissen über die Konzern-Interna und ihrem Sinn für Intrigen und Verschleierungen. Die Vorstellung, ihr gleich gegenüberzusitzen, fühlte sich angenehm aufregend an. Er verließ den sonnigen Hofgarten, in dem es mittlerweile noch voller geworden war, und stieg die Treppe zur U-Bahn hinab.
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RENATE POLSTER
PERSONAL-MANAGEMENT
war in das rosarote Marmorschild eingraviert. Daneben eine kleine Messingklingel. Der Türsummer reagierte unmittelbar nach dem Läuten und Glock trat in den großzügigen Treppenaufgang des Jugendstilgebäudes im schönen Stadtteil Nymphenburg, in unmittelbarer Nähe des gleichnamigen Barock-Schlosses. Auch ohne direkte Sicht auf die Schlossanlage war die Miete hier bestimmt teuer genug. Er verzichtete auf den Aufzug und stieg die breite, alte Holztreppe mit dem verschnörkelten, schmiedeeisernen Geländer hinauf. Im dritten Stock befand sich Renates Büro, oder vielmehr: Der dritte Stock war Renates Büro, denn sie hatte die ursprünglich drei Büroeinheiten zu einer zusammengelegt und verfügte nun über den Luxus von gleich drei Eingangstüren. Wobei nur eine die ursprüngliche Funktion ausübte und in das großzügige Vorzimmer führte. In diesem residierte Renates Sekretärin, eine emsige Dame mit grauen Haaren, die Renate bereits bei Schuegraf umsorgt hatte und an deren Namen Glock sich nicht mehr erinnern konnte. Während er durch die unverschlossene Tür eintrat, fragte er sich einmal mehr, womit Renate dies alles finanzierte. In der Internet-Hype-Phase während der späten neunziger Jahre bis hinein ins Jahr 2000, hatten sich die Personalberater vor Aufträgen kaum retten können, bestand ihr Geschäft doch in der Suche von Fach- und Führungskräften, die seinerzeit gefragt waren
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