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Machtrausch

Machtrausch

Titel: Machtrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer C. Koppitz
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der durchgeführten Amputationen. Und selbst von Pflegeheimen verlangt man Personaleinsparungen und jeder Pfleger solle bitte künftig noch mehr Patienten betreuen, weil wir uns das sonst nicht mehr leisten könnten. Entspricht dem reinen wirtschaftlichen Denken, das McKinsey und ähnliche Beratungen massiv postulieren. Kommt alles vom ursprünglichen Anwendungsgebiet, der Produktion, und wird mittlerweile auf alle Lebensbereiche übertragen. Selbst die katholische Kirche lässt sich von McKinsey fit machen, sieht ihre gläubigen Schäfchen als Kunden! Diese perverse Art zu denken, rein an wirtschaftlichen Gesichtspunkten orientiert, ist mittlerweile in uns fest verankert, geradezu einbetoniert. Die Gehirnwäsche hat gründlich funktioniert! Aber – und das ist das Paradox – während jede Einzelentscheidung, die nach Effizienzgesichtspunkten getroffen wird, uns isoliert betrachtet als durchaus vernünftig und richtig erscheint, entsteht dadurch insgesamt eine richtige Scheiß-gesellschaft, in der eigentlich keiner mehr leben möchte. Nicht einmal ein McKinsey-Berater will das. Verstehst du ???« Rauch war immer lauter geworden. Glock verstand und fand den Gedanken auch grundsätzlich interessant, er musste aber gehen, um pünktlich zu seinem Essen zu kommen. Er leitete das Bürotelefon auf sein Handy um und verließ das Büro.

     
    Der Max-Weber- Platz , wo Glock aus der U-Bahn stieg, lag in unmittelbarer Nähe der Wohnung, in der er mit Barbara lebte. Ihr Zuhause befand sich mitten in Haidhausen in einer kürzlich umgebauten, ehemaligen Fabrik, den Huber-Farbenwerken. Das bevorzugte japanische Restaurant der Glocks, das Sushi Cent, befand sich hingegen fast an der Grenze zum vornehmen Stadtteil Bogenhausen, in unmittelbarer Nähe des Prinzregententheaters. Wie kam Röckl eigentlich darauf, ausgerechnet dieses Restaurant vorzuschlagen? Glock hatte es bisher bewusst vermieden, Geschäftsessen im unprätentiösen Gastraum des Sushi Cent abzuhalten. Nicht, weil er es nicht für gut genug gehalten hätte, sondern weil er keine Lust hatte, plötzlich Geschäftspartnern und –kollegen über den Weg zu laufen, wenn er mit Barbara dort einkehrte. Das Cent war jenes Lokal, in das seine Frau und er meistens dann gingen, wenn sie in aller Ruhe Zukunftspläne schmiedeten und sich gegenseitig nach anstrengenden oder frustrierenden Tagen wieder aufbauten. Woher also kannte Röckl das Restaurant? Er selbst hatte es bestimmt nie erwähnt und sein Chef, das wusste er, wohnte in einem anderen Stadtviertel im Westen von München. Er meinte sich jetzt sogar zu erinnern, Röckl vertrüge überhaupt keinen Fisch. Aber ebenso, wie Nagelschneider letzte Woche über die politischen Meinungen seiner Frau erstaunlich gut informiert zu sein schien, so genau kannte sich sein Vorgesetzter offensichtlich mit seinen Freizeitvorlieben aus. Er setzte diese Frage auf die Liste der Dinge, die er Röckl gleich aus der Nase ziehen wollte.

     
    Glock setzte sich in dem mittags stets vollen Restaurant an einen kleinen Ecktisch, von dem aus er die Tür im Auge behalten, und an dem man sich ungestört unterhalten konnte. Der freundliche Wirt kam an den Tisch, begrüßte ihn mit Handschlag und kleiner Verbeugung und fragte dann: »Wie üblich ?« Glock nickte, wollte mit der Bestellung aber noch auf Röckl warten. Während er ein Glas Weißwein trank – er gehörte zu den Leuten, deren Prinzipienstrenge nie ausgereicht hatte, mittags ein gutes Glas Wein auszuschlagen – , kam ihm erneut Rauch in den Sinn. Der wusste ja gar nicht, wie sehr das von ihm gerade erläuterte McKinsey-Paradox gerade auf ihn, Rauch, selbst zutraf. Ganz unberechtigt nämlich war die Forderung nach Entlassung des Kollegen nicht. Auf den ersten Blick jedenfalls, denn Rauch war bereits deutlich über vierzig und hatte seine dynamischen Zeiten, wenn er solche je gehabt haben sollte, längst hinter sich. Sein Gehalt war, altersbedingt, bereits ziemlich hoch. Und er hatte eine offen geäußerte, zynische Meinung über die so genannte freie Marktwirtschaft (»Frei für wen eigentlich ?« , fragte Rauch gelegentlich) im Allgemeinen und den Schuegraf-Konzern im Speziellen. Mit seinen Ansichten und seiner legeren Arbeitsauffassung war er schon vielen auf den Schlips getreten. Andererseits zehrte Rauch von seiner enormen Erfahrung in verschiedensten Funktionen und war mit seiner unkomplizierten Art gerade den jüngeren Kollegen in der Abteilung stets eine große Hilfe. Und musste ein so

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