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Machtrausch

Machtrausch

Titel: Machtrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer C. Koppitz
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großes Unternehmen nicht auch ein paar Querköpfe verkraften können, ohne gleich unterzugehen? Die rein wirtschaftliche Logik, dies sah Glock durchaus ein, legte eine Trennung von Rauch nahe. Sein Gehalt war er, trotz aller Erfahrung, nicht wert. Nur, wer wollte schon in einer Firma arbeiten, in der nur noch hocheffiziente, stromlinienförmige Karrieristen betriebsam umhereilten? Solche wie Lachotta. Oder wie er selbst, schoss es ihm durch den Kopf. Er traf eine Entscheidung: Er würde versuchen, die Trennung von Rauch zu hintertreiben. Nicht zuletzt aus Eigennutz, denn er würde in nächster Zeit jemanden brauchen, der ihm den Rücken freihielt.
    »Wollen Sie nicht schon mal eine Miso-Suppe essen ?« , fragte der Wirt und zeigte auf seine Uhr. Zwanzig nach eins. Röckl, ein korrekter Mensch alter Schule, fand sicherlich keinen Parkplatz, was in diesem Viertel kein Wunder war. Erst letztens hatte man überall Parkuhren aufgestellt, um die Dauerparker zu vertreiben.
    Als er die Miso-Suppe gegessen hatte und man ihm gerade ein zweites Glas Muscadet brachte, rief er Röckl auf dem Handy an. Ausgeschaltet. In seinem Sekretariat ging auch niemand ans Telefon. Um kurz vor zwei zahlte er missgelaunt und ließ sich eine Quittung geben. Das Essen würde er natürlich als Spesenrechnung bei seinem Chef einreichen. Draußen nieselte es immer noch. Selbst mit hochgeschlagenem Sakkokragen, einen Mantel verweigerte er um diese Jahreszeit noch, fröstelte es ihn in dieser Nasskälte. Das Handy klingelte und Rauch war dran. Seine übliche Gleichgültigkeit gegenüber allen Firmenbelangen war aus der Stimme völlig verschwunden. Er klang schockiert:
    »Unser Chef hat sich umgebracht. Er ist aus dem Fenster seines Büros gesprungen und war sofort tot .« Pause, auch Glock sagte nichts und presste das Telefon wie erstarrt weiter an sein Ohr.
    »Es heißt, man habe Röckl kurz vor der regulären Pensionierung aus seiner Funktion und der Firma drängen wollen. Das hat er wohl nicht verkraftet. Und es heißt, du als potentieller Nachfolger hättest Nagelschneider von der vorzeitigen Ablösung Röckls überzeugt, um selbst schneller zum Zug zu kommen …«

8
    Ein eiskalter Mord. Man hatte Röckl aus dem Fenster gestürzt. Wenn nicht die Verabredung mit ihm, Dr. Anton Glock, gewesen wäre, die sie erst vor wenigen Stunden getroffen hatten, und zwar nachdem sein Chef von seiner Abberufung erfahren hatte, wären sie (wer eigentlich waren sie?) damit wahrscheinlich auch durchgekommen. Glock, immer noch im Nieselregen vor einem türkischen Lebensmittelladen stehend, fragte sich, wie er jetzt vorgehen sollte. Ein Hinweis an die Polizei hätte den Nachteil, dass man entweder aus Mangel an Beweisen oder aus Bequemlichkeit an der Theorie des Selbstmordes festhalten würde oder die Mörder durch die Ermittlungen sogar vorschnell gewarnt würden, dass die Vertuschung des Mordes nicht geklappt hatte. Was aber wäre die Alternative? Er konnte schließlich unschwer ein Verbrechen vertuschen und sich so mitschuldig machen. Oder hoffte er gar, die Täter selbst herausfinden zu können? Das war Blödsinn und gefährlich noch dazu. Er war ein Bürohengst und kein Ermittlungsbeamter. Er entschied sich dafür, der Polizei einen Hinweis zukommen zu lassen und erst einmal in der sicheren Deckung zu bleiben. Auf dem Weg durch das graue Haidhausen machte er einen Abstecher in ein Schreibwarengeschäft, um einen neutralen, braunen Umschlag, einen weißen Schulmalblock und ein Buchstaben-Stempelset samt Stempelkissen zu kaufen. Damit ging er heim in die leere Wohnung, Barbara war noch in ihrem Laden, und breitete seine Bastelutensilien auf dem Tisch aus. Vorsichtshalber zog er seine ledernen Fingerhandschuhe an, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen und stempelte in Großbuchstaben säuberlich auf den Umschlag:
    HINWEIS AN DIE POLIZEI ZUM HEUTIGEN TOD VON JOSEF RÖCKL!

     
    Als nächstes nahm er ein weißes Blatt und stempelte:
    RÖCKL WURDE HEUTE ERMORDET! WAR MIT IHM MITTAGS VERABREDET: ER WOLLTE MIT MIR ÜBER DIE HINTERGRÜNDE SEINER ABBERUFUNG SPRECHEN. ER WAR WEDER VERZWEIFELT, NOCH IN SELBSTMORDSTIMMUNG. SUCHEN SIE IN DER FIRMA!

     
    Eine ziemliche Arbeit, wenn man jeden Buchstaben einzeln stempeln musste. Er las den Text noch mal durch und fand ihn wenig überzeugend. Der Beweis fehlte, aber sein Gefühl ließ sich eben nicht verbal dingfest machen. Glock war sich, das musste er zugeben, auch etwas unsicher, was den Hinweis auf den Zusammenhang des

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