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Machtrausch

Machtrausch

Titel: Machtrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer C. Koppitz
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    Alle nicken und sehen vor ihrem geistigen Auge das heute beendete Projekt im Zeitraffer an sich vorüberrasen.

     
    Eine Hölle ist es gewesen, die sie alle verändert und als Team eng zusammengeschweißt hat. Ihr Projektteam hat ganze neun Monate lang unter Dauerbeschuss gestanden. Die Leitung der Klientenfirma, einem mittelständischen Maschinenbauer, hat mehrmals mit dem Rausschmiss des ganzen Teams und einzelner Teammitglieder gedroht, falls die Analyseergebnisse nicht so dargestellt würden, wie man sich das wünschte. Die deutsche Großbank hingegen, die der Hauptgläubiger des Maschinenbauers ist und die Hälfte des in Auftrag gegebenen Sanierungskonzeptes bezahlt hat, hat dem Team immer wieder Parteilichkeit zugunsten des Maschinenbauers unterstellt und drohte ihrerseits ebenfalls mit Rausschmiss. Denn die Bank wollte von Anbeginn an nur eines: ein Auftragsgutachten von St. Servatius mit der eindeutigen Aussage, dass der Maschinenbauer nicht mehr sanierbar wäre, damit die Gläubiger endlich mit der lohnenden Zerschlagung des Unternehmens beginnen konnten. Und ihr eigener, das Projekt betreuender Chef Dieter, der ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen und ihnen den Rücken hätte frei halten sollen, hängte sein Fähnlein stets nach dem Wind. Immer, wenn sie Feuerschutz brauchten, nahm er sie zusätzlich aufs Korn und erhöhte damit den stetig größer werdenden Druck zusätzlich.
    Bereits nach den ersten sechs Wochen war es zum Eklat gekommen: Es war Donnerstagabend und das Team hatte die ganze Woche rund um die Uhr gearbeitet. Sie hatten Interviews mit allen wesentlichen Abteilungsleitern des Unternehmens geführt, um ein erstes Bild von der tatsächlichen Lage des Maschinenbauers zu gewinnen. Sie hatten von der Controlling-, der Marketing- und der Einkaufsabteilung stapelweise Auswertungen angefordert und alles gewissenhaft analysiert. Sie hatten ein externes Marktforschungsinstitut mit einer gesonderten Marktuntersuchung zu der Wettbewerbssituation des Unternehmens beauftragt. Und sie hatten nächtelang über erste Schlussfolgerungen diskutiert. Schließlich stellte sich die Lage aus ihrer Sicht so dar, dass ihr Kunde seit bereits drei Jahren in den wesentlichen Märkten Japan, USA und Nordeuropa deutliche Umsatzrückgänge verzeichnet hatte, während ein paar japanische Konkurrenten stetig zulegten und große Kunden auf ihre Seite zogen. Außerdem sah es aus, als würde die Stimmung im Unternehmen immer schlechter werden. Der resignierte Leiter der Personalabteilung hatte ihnen klar aufgezeigt, in welchem Maße bereits im letzten Jahr wichtige Leistungsträger das Unternehmen verlassen hatten. Rentabel war das Unternehmen bei näherer Betrachtung nur, weil man – eine Tatsache, die man ursprünglich versucht hatte vor den neugierigen Beratern zu verbergen – einige wesentliche Unternehmensgebäude verkauft und anschließend wieder angemietet hatte. Ein Effekt, der nicht beliebig wiederholbar war. Ohne diese Immobilienverkäufe hätte das Unternehmen nach ihren Analysen im letzten Jahr sogar Verlust gemacht. Insbesondere schien man in der Verwaltung viel zu viele Leute an Bord zu haben. Im Marketing, in der Strategieabteilung und in den Assistenz- und Sekretariatsfunktionen hatte man im vorletzten Jahr über fünfzig Leute zusätzlich aufgebaut. Bei sinkenden Umsätzen. Man hatte all diese Erkenntnisse nun auf Folien gebannt. Am Samstagvormittag war der erste große Lenkungsausschuss angesetzt. Neben der Geschäftsleitung ihres Kunden sollten auch die Vertreter der Großbank anwesend sein. An jenem Donnerstag-
    abend war nun spontan Dr. Scheu, der Geschäftsführer ihres Kunden, in den Projektraum gekommen und an den Schreibtisch ihres Teamleiters getreten, um das am Samstag zu präsentierende Material schon mal vorab abzustimmen. Daraufhin hatten sich die beiden in einen kleinen Besprechungsraum in der Ecke des Projektbüros zurückgezogen. Durch die gläsernen Raumteiler konnte man den Gesichtsausdruck von Scheu zunehmend entgleiten sehen. Und man sah, dass ihr sonst so eloquenter Projektleiter zunehmend in Argumentations- und Diskussionsnöte kam. Irgendwann war Scheu dann aus dem Raum gestürmt und hatte, für alle hörbar und sichtlich verärgert, abschließend ausgestoßen:
    ›Ihre Schlussfolgerungen sind vorschnell und parteiisch! Sie wissen genau, dass man alles so oder so darstellen kann. Leider haben Sie sich anscheinend entschieden, mit der Bank gemeinsame Sache zu machen, um uns

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