Machtrausch
gemacht hast, bevor du zu mir kamst. Du scheinst es wirklich ernst zu meinen, was Anton? Oder willst du in Wirklichkeit in den Pakt einsteigen, nicht ihn auffliegen lassen? Ist für mich etwas neu, diese moralische Seite an dir .«
»Für mich auch. Aber verlass dich drauf: Es gibt sie! Ich erwarte deinen Anruf bis morgen um achtzehn Uhr. Danach tut es mir Leid um dich .« Starker Tobak. Mit einem Schluck leerte er den kostbaren Cognac und ging, eine erstaunte Renate zurücklassend und unter Aufbietung all seiner Willenskraft, zur Tür. Diese Nacht würde seine charmante und gefährliche Freundin alleine verbringen müssen. Sie zumindest hatte er wohl von seiner Entschlossenheit überzeugt.
Diesen Abend traf er sich mit Volker. Er wollte sich sinnlos betrinken, obwohl er wusste, dass er im Moment einen klaren Kopf brauchte. Sie trafen sich in dem Irish Pub, das Volkers zweites Wohnzimmer geworden war. Als Arbeitsloser konnte er viel Zeit in seinem Wohnzimmer verbringen und tat dies auch. Hier schrieb er stundenlang an seinen Kurzgeschichten, die ebenfalls meistens in Kneipen spielten und vielleicht darum so authentisch waren. Warf man Volker vor, zuviel Zeit im Pub zu verbringen, so konterte er, dass die meisten Schriftsteller (jedenfalls jene, die er bewunderte wie den walisischen Trinker und Dichter Dylan Thomas) den überwiegenden Teil ihrer Werke in Wirtshäusern verfasst hatten. Volker saß bereits an der breiten und langen Bar aus dunklem Holz, vor sich ein fast leeres Glas Cider und schrieb etwas in sein Notizbuch. Einen neuen Einfall vermutlich. Auch das war typisch. Sein Freund hatte stapelweise Notizbücher mit Einfällen für Kurzgeschichten voll geschrieben, stellte aber pro Jahr höchstens ein bis zwei davon fertig. Er selbst sagte, die vielen Ideen, die sich in seinem Kopf unaufgefordert und immerfort bildeten, hinderten ihn an der konzentrierten Arbeit. Seine täglichen Besuche im Pub konnte sich der dauerarbeitslose Volker nur leisten, weil ihm sein Stiefvater eine kleine Eigentumswohnung in Bremerhafen hinterlassen hatte, die ein paar Hundert Euro Miete abwarf. Irgendwie schleuste er den Mietzins an Finanzamt und Sozialversicherungsbehörden vorbei – direkt hier in das Irish Pub.
»Gott zum Gruße, alter Säufer. Wartest du schon lange ?« Glock setzte sich auf einen Barhocker neben Volker und bestellte ein großes Strongbow.
»Warten kann man das kaum nennen, ich saß hier sowieso gerade rum. Hab gerade eine Idee für einen Kurzgeschichten-Plot .«
»Erzähl schon !« Sein Freund Anton war froh über ein wenig Ablenkung, bevor er Volker um weitere Hilfe bat.
»Also: Ein abgerissener, aber cooler Typ wird aus lauter Verzweiflung Privatdetektiv. Da ist er wenigstens sein eigener Herr und kann tagsüber in Ruhe einen kippen. Jeder Schnüffler, der was auf sich hält, hat schließlich eine Flasche Whiskey in der Schublade. Kennt man seit Raymond Chandler. Jedenfalls, oh Wunder, es kommt tatsächlich ein Kunde. Der Mann ist mit einem Mädchen vom Zirkus fremdgegangen und zu seinem Entsetzen stellt er fest, dass sie seine Leidenschaft ausgenutzt und den Familienschmuck seiner Frau geklaut hat, als er sie unvorsichtigerweise mit zu sich nach Hause genommen hat. Der Detektiv soll die Sache in Ordnung bringen und diskret den Schmuck wieder besorgen .«
»Hast schon bessere Ideen gehabt, alter Freund .«
»Nein warte, das ist alles nur das Vorgeplänkel! Der Detektiv klärt die Sache natürlich brilliant auf und kommt einer tragischen Geschichte im Zirkus-Milieu auf die Spur. Eine alte Zigeunerin verflucht den Detektiv schließlich dazu, nie mehr alleine zu sein. Und was passiert? Der e igene Schatten des Schnüfflers entwickelt zunehmend ein Eigenleben, spricht mit ihm, bringt ihn in peinliche Situationen und hilft ihm – ähnlich wie Dr. Watson dem guten Holmes – bei der Aufklärung seiner Fälle. Verstehst du? In jedem mittelmäßigen Krimi gibt es einen Blödmann, der die dummen Fragen stellt, einen Assistenten, Vize-Inspektor oder ähnliches. Hier ist es der eigene Schatten, der plötzlich überall mitmischt und reinredet! Die Erzählung ist nicht nur ein Krimi, sondern die abstruse Beziehungsgeschichte zwischen dem Detektiv und seinem geschwätzigen Schatten, die mit der Zeit eine Art Freundschaft entwickeln .« So schlecht fand Glock die Idee gar nicht, da ließ sich was draus machen. Er selbst hatte zwar außer Sitzungsprotokollen, Vorstandspräsentationen und nüchternen Mails kaum
Weitere Kostenlose Bücher