Machtrausch
schaden? Wenn man meinen Weg nach Dubai verfolgt und dort feststellt, dass ich nach Male weiter gereist bin, wird man mich auf den Malediven doch rasch aufspüren. So weitläufig ist es dort nicht …« Damit hatte sie Recht. Er hatte irgendwie verdrängt, dass der lange Arm seiner Widersacher weit über Deutschland hinausreichte. Er dachte kurz nach.
»Du verwischt deine Spur, in dem du dein Hotelzimmer in Dubai, das ich übrigens bereits für zwei Wochen reserviert habe, nicht aufgeben wirst. Du teilst an der Rezeption einfach mit, du würdest ein paar Tage bei alten Bekannten in Dubai wohnen und kämst danach wieder zurück. Einen Teil deiner Kleidung und Kosmetika lässt du zur Tarnung im Zimmer zurück. Jeder, der dich ausfindig machen will, wird dich so zuerst in Dubai selbst suchen. Das verschafft uns genau die paar Tage Zeit, die wir brauchen. Okay?«
»Okay.« Und nach einer Pause:
»Anton, ich komme mir vor wie in einem schlechten Thriller. Das kommt mir alles so unecht, so pseudo-ernst, so dramatisch vor! ?« Sie sah ihren viel zu schnell über den wunderschönen Königsplatz rasenden Anton besorgt von der Seite an. Seine Frau wollte jetzt hören, dass alles halb so schlimm war, aber damit konnte Anton nicht dienen.
»Es ist ernst und dramatisch, Babs .«
Nach einer halben Stunde hatte Barbara Glock fertig gepackt. Eine kleine Reisetasche, fertig. Seine Frau war noch nie eines jener Weibchen gewesen, das einen halben Schönheitssalon und Kleidung in allen Farb- und Schnittvarianten mit auf Reisen nehmen musste, um sich wohl zu fühlen. Er küsste sie und fuhr sie zum Flughafen, wo sie sich in der gut sortierten Buchhandlung im Zentralbereich noch mit reichlich Lesestoff eindeckte (Anton selbst kaufte sich ein Wilhelm-Busch-Album mit den beliebtesten Geschichten von Kroupas Lieblingsautor), ihren Mann ein letztes Mal umarmte und dann im Sicherheitscheck im hypermodernen Terminal 2 des Münchner Flughafens verschwand. Er fühlte eine gewisse Erleichterung, denn jetzt musste er nur noch auf sich selbst aufpassen.
Im Auto hörte er seine Mobilbox ab. Sein Rausschmiss hatte sich herumgesprochen und alle möglichen Menschen fühlten sich bemüßigt, ihm sein Mitleid auszusprechen und ihm den Rücken zu stärken. Die meisten Nachrichten löschte er bereits nach dem ersten Halbsatz. Erfreulich war das ehrliche Bedauern Schachter-Radigs, der es sehr schade fand, jetzt doch nicht mit Anton zusammen arbeiten zu dürfen. Dafür versprach er, Glock noch heute ein gebundenes Exemplar seinesWirtschafts-ethik-Bandes mit dem viel versprechenden Titel »Die Verbiegung« zu schicken. Mit Widmung, verstand sich. Nachdem er alle Nachrichten abgehört und gelöscht hatte, versuchte er Renate auf ihrem Mobiltelefon zu erreichen, landete aber auf ihrem Anrufbeantworter.
»Hallo Renate, Anton hier. Ich habe über unseren, hmmmm, Meinungsaustausch vor drei Tagen nachgedacht und muss dich dringend noch heute sehen. Meine Mobilnummer kennst du ja. Ab morgen bin ich für ein paar Tage in Rom. Vorher solltest du jedoch etwas für dich sehr Wichtiges erfahren. Bis nachher.« So wie er Renate kannte, würde sie das neugierig genug machen, um eine etwaige andere Verabredung für heute Abend abzusagen. Sie hatten sich seit der in jeder Beziehung spannenden Nacht am Dienstag nicht mehr gesprochen. Er schuldete ihr eine angemessene Antwort auf die knallharte Drohung und die würde er ihr vor seiner Abreise noch geben. Wie hatte sie sich Dienstagnacht ausgedrückt: »… weil du dein Leben und meinen Ruf riskierst, wenn du die Sache irgendwie weiterverfolgen solltest. Zwei Menschen sind schon tot – und es könnten schnell mehr werden …« War er in diese Frau immer noch verliebt? Nein, seine Gefühle zu Renate hatten noch nie romantische Züge gehabt. Und spätestens nach ihren Erzählungen am Dienstag wäre auch die letzte Zuneigung gestorben. Dennoch konnte er nicht von ihr lassen, war süchtig nach ihr. Wieder einmal fühlte er das Prickeln. Eines seiner Gesetze, das auch in die Medizin Eingang gefunden hatte, befasste sich mit der Heilung von Sucht: Wenn man die Entwöhnung auf normalem Wege nicht schaffte, konnte man es immer noch mit einer Überdosis versuchen. Zwei Mal Renate in einer Woche kam einer tödlichen Überdosis schon sehr nahe.
Sein nächstes Ziel war die Kanzlei von Marvin Ray Miller. Die zahlreichen politisch motivierten Aktionen von Barbara hatten ihr viele Feinde eingebracht und mehrmals hatte man
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