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Machtrausch

Machtrausch

Titel: Machtrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer C. Koppitz
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Öffentlichkeit zu gehen, war ein für sie leicht zu enttarnender Bluff gewesen. Sie wusste ja, wie wenig er bisher in der Hand hatte. Vor ein paar Tagen war ihre Aussage gewesen: Alle Mitglieder des Paktes sollten in der Schuegraf AG wichtige Positionen besetzen, um den Konzern langsam, aber sicher in ihren Würgegriff zu bekommen. Augenscheinlich hatten sie dies auch geschafft und befanden sich nun in einer Art Machtrausch, in dem sie jedes Maß verloren hatten. Fragte sich nur, wer sie waren. Es gab zu viele Führungskräfte in der betreffenden Altersgruppe. Nahezu alle wa ren sie gut ausgebildet und ehrgeizig, die meisten sogar karrieregeil. Er setzte sich mit seinem wenigen Gepäck in ein Bistro und stellte eine Liste derjenigen Schuegraf-Mitarbeiter auf, die er kannte und denen er charakterlich und von Alter und Position her eine Mitgliedschaft im Pakt zutraute. Bei fünfunddreißig Namen brach er das Unterfangen ab. Zwar fielen ihm immer noch weitere Kandidaten und Kandidatinnen ein (er wunderte sich selbst, wie vielen weiblichen Kolleginnen er eine solche Intrige zutraute), er entfernte sich aber immer mehr von der infrage kommenden Altersgruppe. An dieser Stelle würde er erst weiterkommen, wenn Alois die Liste aller Firmenmitarbeiter besorgt haben würde, die zuvor bei der Beratungsfirma St. Servatius ihr Brot verdient hatten. Damit musste er bis nach seiner Rückkehr warten. Die soeben erstellte Liste schrieb er ab und verstaute das Original in seinem Geldkoffer. Er entnahm seiner Tasche einen Umschlag, den er bereits an Volker Klausing adressiert hatte und schob die Kopie der Liste in das Kuvert. Am nahe gelegenen Kiosk erstand er eine italienische Briefmarke und warf die erste der angekündigten Sendungen an Volker in einen Briefkasten. Kurz vor dem Start fiel ihm noch ein, dass die Reisebüromitarbeiterin ihn ausdrücklich auf das Nichtfunktionieren von SMS-Kurznachrichten auf den Malediven hingewiesen hatte. Er schickte darum eine kurze Nachricht an die paar Leute, denen er hundertprozentig vertraute und die seine neue Geheimnummer besaßen: › Bitte die nächsten Tage keine SMS, sondern nur Sprachnachrichten. Bin in Male. Gruß, AG.‹ Frau Nockele bat er in einer zweiten Nachricht, ihm wichtige Mails, zum Beispiel Jobangebote von Hermine Hügel, kurz auf seine Mailbox zu sprechen, damit er auf dem Laufenden blieb.

     
    Male war eine mittelgroße Kleinstadt, die auf einer kleinen tropischen Insel mitten im Indischen Ozean lag und die gesamte Inselfläche mit ihren hässlichen neuen Gebäuden komplett ausfüllte. Sie war die Hauptstadt eines Landes, das ausschließlich aus winzigen Inseln bestand, die riffbildende Korallen in Jahrmillionen erbaut hatten. Anton Glock war noch nie in dieser Gegend der Welt gewesen. Lediglich Delhi, Tokio und Shanghai kannte er von kurzen beruflichen Aufenthalten. Urlaub fand bei den Glocks stets im Nahbereich statt. Barbara vertrat den Standpunkt, solange sie noch nicht in allen europäischen Ländern gewesen waren, bestünde keinerlei Veranlassung, um die halbe Welt herum in den Urlaub zu fliegen. Drei Kategorien von Eilanden fand man auf den Malediven: Inseln, auf denen die Einheimischen von Fischfang und Kokosnussanbau lebten, reine Touristeninseln, auf denen sich ruhebedürftige Urlauber verwöhnen ließen und begeisterte Taucher die Unterwasserwelt erforschten sowie zahlreiche komplett unbewohnte Landflecken, auf denen es nur Palmen, Mangroven und ein paar Vögel gab. Die Folgen des Tsunami, der Weihnachten 2004 so viel Schaden in dieser Weltregion angerichtet hatte, waren längst behoben. Fast alle Ressorts waren wieder geöffnet. Glock befand sich auf einer weitgehend künstlich angelegten Insel, die in Sichtweite der Hauptstadt lag und ausschließlich als Flughafen genutzt wurde. Er hatte mehr als sechzehn Stunden Reise hinter sich und war dennoch frisch erholt, da er in der ersten Klasse die gesamte Zeit hatte schlafen können und diesmal kein Dickmops wie neulich nach Hannover neben ihm saß. Als er die Gangway des Flugzeuges, inmitten junger italienischer Paare in Flitterurlaub, hinunter stieg, trafen ihn die annähernd dreißig Grad und die tropische Luftfeuchtigkeit wie ein Schlag. Er setzte seine Sonnenbrille auf, ging über das Rollfeld in das Ankunftsgebäude des Flughafens und brachte die Einreiseformalitäten hinter sich. Dann pickte er sein Gepäck vom Förderband und betrachtete schadenfroh das italienische Ehepaar, das versucht hatte, eine

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