Machtspiele: Die Kunst, sich durchzusetzen (Haufe Sachbuch Wirtschaft) (German Edition)
die er nicht gebeten hat. Wenn er sie zurückweist, erklären Sie ihn für hartherzig und undankbar.
Selbstverständlich müssen Sie ihm in dieser Phase nahebringen, wie sehr Sie leiden, dass Sie nicht mehr Sie selbst, dass Sie überlastet sind – und dass niemand anders die Schuld daran trägt als Ihr Mitspieler. Denn darum geht es Ihnen jetzt: Schuldgefühle zu pflanzen, zu hegen und schließlich auch sprießen zu sehen. Damit setzen Sie ihn unter Druck und können erwarten, dass er sich von nun an nach Ihrem Willen richtet.
Und wenn er es nicht tut – auch gut, denn das gibt Ihnen neue Munition für Vorwürfe. Und Vorwürfe brauchen Sie dringend, um damit die Schuldgefühle zu wässern, auf denen Ihr Machtspiel beruht. Ohne Schuldgefühle würde Ihre Macht schnell dahinwelken.
Nun wird Ihr Mitspieler auch nicht untätig sein. Üblicherweise wird er erst versuchen, in einem klärenden Gespräch eine Lösung zu finden. Als versierter Opferspieler müssen Sie diese Lösung torpedieren – nicht ohne Ihren Mitspieler für das Scheitern dieser Gespräche verantwortlich zu machen. Irgendwann gibt er auf. Er wird nur noch versuchen, Sie loszuwerden. Und damit kommen wir zu Phase vier, dem Finale: Je nach Konstellation ergeben sich verschiedene Möglichkeiten. Sie können verkünden, dass von Ihrem Mitspieler nichts anderes zu erwarten war als Sie erst auszupressen und dann fortzuwerfen wie eine leere Saftorange. Sie können reumütig erklären, dass Sie Ihre Fehler einsehen, sich ändern werden und auf einen Neuanfang hoffen. Da sich Ihr Mitspieler (zumindest zunächst) dagegen sträuben wird, ergeben sich weitere Möglichkeiten, ihm neue Schuldgefühle einzureden. Und schließlich könnten Sie den Bruch auch gelassen hinnehmen und wieder umschalten auf Phase eins. Womöglich hat jemand Ihre Auseinandersetzungvon außen verfolgt und ist beeindruckt, wie tapfer Sie mit dieser Sache umgehen.
Die mittelscharfe Version
Nicht ganz so zerstörerisch, aber mit dem gezielten Einsatz von Schuldgefühlen arbeitet eine mittlere Variante. Dabei gehen Sie etwas gebremster vor. Die Schuldgefühle, die Sie Ihrem Mitspieler bereiten, betrachten Sie als Mittel, um Ihren Willen durchzusetzen. Es ist Ihre Waffe im Spiel um die Macht. Nicht selten ist es Ihre einzige – wenigstens in der Beziehung zu dem Menschen, der sich Ihnen gegenüber schuldig fühlt. Dass er sich schuldig fühlt, liegt nicht allein an Ihnen. Vielmehr nutzen Sie eine günstige Gelegenheit aus. Womöglich hat Ihnen Ihr Gegenspieler Schaden zugefügt, sich so benommen, wie er sich Ihnen gegenüber eigentlich nicht benehmen möchte. Wenn das so ist, dann müssen Sie ihn das auch spüren lassen. Er muss merken, was er angerichtet hat. Dramatisieren Sie dezent, auf keinen Fall im Übermaß, sonst hält er Sie für einen Schauspieler und Sie können es vergessen mit Ihren Schuldgefühlen. Er nimmt Sie und Ihre Klagen nicht mehr ernst.
Und stellen Sie Ihre Forderungen! Sagen Sie, was Sie von ihm oder ihr erwarten. In gewisser Hinsicht bieten Sie ein Tauschgeschäft an: Er tut, was Sie wollen, und Sie nehmen ihm seine kleine Gemeinheit nicht mehr übel. Auch wenn das vielen Opferspielern schwerfällt, sie sollten akzeptieren, dass der andere eine Zeitlang mit reinem Gewissen durch die Gegend läuft. Es findet sich bestimmt wieder eine Gelegenheit, neue Schuldgefühle wachzukitzeln. Der Hauptunterschied zur harten Variante: Sie streben nicht so sehr nach Macht über die Person, die Sie durch Ihr Machtspiel destabilisieren. Sie wollen einfach nur, dass der andere tut, was Sie von ihm verlangen. Und das ist ja wohl das Mindeste, was Sie von ihm erwarten können – nach all dem, was er Ihnen angetan hat!
Die Rolle des Publikums
Unbeteiligte Beobachter sind für die Inszenierung eines Opferspiels außerordentlich wichtig. Dabei kann das Publikum zwei sehr verschiedene Aufgaben übernehmen. Sie können es einspannen, um zusätzlichen Druck auf Ihren Gegenspieler auszuüben. Dazu müssen Sie den Eindruck erwecken, als würden Sie sich aufopfern und Ihr Mitspieler würde Sie dafür mit Füßen treten. Ein geeignetes Mittel,das zu erreichen, sind die bereits erwähnten Geschenke und Leistungen, mit denen Sie den anderen überhäufen. Dabei müssen Sie dafür sorgen, dass Ihr Publikum mitbekommt, wie Sie sich mit den Geschenken und Leistungen abmühen – und wie frostig der andere sie aufnimmt, wenn er sie nicht ganz zurückweist.
Das Publikum kann aber auch eine völlig
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