Machtspiele: Die Kunst, sich durchzusetzen (Haufe Sachbuch Wirtschaft) (German Edition)
mitgespielt! Und euch kann es genauso gehen, wenn ihr nicht aufpasst!" In manchen Organisationen scheint ein Grad von Abstumpfung erreicht zu sein, der es dem Boss zunehmend schwerer macht, seine Hühner noch eindrucksvoll zu schlachten. Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass die subtile, gezielte Geste im Zweifel ernster genommen wird als das große Getöse, das immer ein bisschen übertrieben und theatralisch wirkt.
Wieso Hühner?
Sein Opfer wählt der Boss mit Bedacht. Es darf nicht zu stark sein. Es wäre ja nicht auszudenken, wenn sich das Huhn selbstbewusst zur Wehr setzen und unter den Kollegen Zustimmung finden würde. Was für eine Blamage für den Boss! Also hält er sich vorzugsweise an jene friedliebenden, harmoniebedürftigen Betriebshühner, von denen kein Widerstand zu erwarten ist. Auf der anderen Seite darf er sich auch nicht an den ganz Schwachen vergreifen. So etwas wirkt schäbig. Eindruck macht er nur, wenn er sich jemanden zur Brust nimmt, auf dem nicht ohnehin schon alle herumtrampeln, sondern vielleicht nur er, der Chef. Anders gesagt, je höher das Huhn in der Hackordnung steht, desto eindrucksvoller ist seine Schlachtung. Aber – um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Dem Boss geht es nicht so sehr darum, seine Hühner auf Linie zu bringen. Er zielt höher, er möchte denjenigen, die er – noch – nicht angreifen kann, signalisieren: "Seht einmal, so einer bin ich. Wenn ihr es darauf anlegt, dann habe ich keinerlei Beißhemmungen."
Es gibt auch die Variante, dass ein Huhn stellvertretend geschlachtet wird für jemanden, an den sich der Boss noch nicht herantraut. Solch ein Stellvertreter-Huhn ist vielleicht ein enger Mitarbeiter des eigentlich Gemeinten, sein Praktikant, seine Sekretärin – oder er hat einfach nur ganz ähnliche Ansichten geäußert. Und dafür wird er jetzt heruntergeputzt – ein klares Signal an den anderen, diese Position noch einmal zu überdenken.
Nachspiel: Die Entschuldigung
Wie fast alle Boss-Spiele belastet auch das "Huhn schlachten" die Beziehung zu den Mitarbeitern, in erster Linie natürlich zu demjenigen, dem die Rolle des Huhns zugedacht ist. Vielleicht ist er jetzt eingeschüchtert, hasst seinen Chef und erledigt nicht mehr mit der erforderlichen positiven Einstellung seine Arbeit. Darüber hinaus hegt der Boss ja keinen echten Groll gegen das Huhn. Vielmehr hat er ein Interesse daran, das Verhältnis zu seinem Mitarbeiter zu reparieren. Friedrich Nietzsche sagt: "Es ist weit angenehmer, zu beleidigen und später um Verzeihung zu bitten, als beleidigt zu werden und Verzeihung zu gewähren. Der, welcher das Erste tut, gibt ein Zeichen von Macht und nachher von Güte des Charakters."
Die Reparatur des Verhältnisses gelingt ambesten in einem Vier-Augen-Gespräch, in dem es der Boss so richtig menschein lassen kann und bei dem er sich bei demarmen Huhn entschuldigt: "Hören Sie, Herr Möbius, ich bin da wohl ein bisschen weit gegangen." Tief beeindruckt von so viel menschlicher Größe begibt sich Herr Möbius wieder an die Arbeit – bis zur nächsten Schlachtung.
Gegenstrategien
Wenn Sie das Spiel durchschaut haben, ist das schon der erste Schritt zur Rettung. Dies gilt insbesondere, wenn Sie für die Rolle des Huhns vorgesehen sind. Es fällt Ihnen wesentlich leichter, eine innere Distanz aufzubauen. Und die brauchen Sie, um solche entwürdigenden Situationen durchzustehen. Denn nur darum geht es in diesem Moment. Betrachten Sie die Vorwürfe nicht als gegen Sie persönlich gerichtet, lassen Sie sie gar nicht an sich herankommen, stellen Sie die Ohren auf Durchzug. Es hilft Ihnen und gibt Ihnen innere Stabilität, wenn Sie sich klarmachen: Es handelt sich hier um eine reine Showveranstaltung. Wenn die vorüber ist, hat das keine weiteren Folgen – außer dass es Ihrem Chef großartig geht.
Doch sollten Sie nicht vielmehr versuchen, das Spiel zu durchkreuzen und sich selbstbewusst zur Wehr setzen? Sollten Sie dem großen Schlachtermeister nicht deutlich machen, dass man so nicht mit seinen Mitarbeitern umspringt? Es wäre natürlich sehr erfreulich, wenn Sie das fertig brächten, aber realistisch ist ein solches Szenario nicht. Dazu ist das Machtgefälle zu groß. Lassen Sie sich nicht auf einen Kampf ein, den Sie nur verlieren können. Fangen Sie gar nicht an, sich zu rechtfertigen. Dadurch verstricken Sie sich nur noch tiefer in diese schreckliche Situation. Seien Sie schlau und gehen Sie in Deckung, dann passiert Ihnen – gar
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