Machtspiele: Die Kunst, sich durchzusetzen (Haufe Sachbuch Wirtschaft) (German Edition)
solches Gespann von charismatischer Nummer eins und Erbsen zählender Nummer zwei steht auch in menschlichen Organisationen hoch im Kurs. Wenn sich zwei gefunden haben, deren Fähigkeiten und Charaktere sich so gut ergänzen, dann können sie viel bewegen. Die Nummer zwei bringt die Mitarbeiter auf Linie, während die Nummer eins ihr Charisma versprüht, die Glanzlichter setztund die Streicheleinheiten verteilt. Kein Zweifel, eine solche Kombination kann hervorragend funktionieren, wenn sie der inneren Natur der beteiligten Wölfe entspricht. Allerdings tritt oft der Fall ein, dass es einen Boss gibt, der gerne den charismatischen Leitwolf geben würde, wohingegen die undankbare Rolle eines echten Betamännchens viel schwieriger zu besetzen ist. In der Praxis führt dies häufig dazu, dass ein loyaler Mitarbeiter dazu verdonnert wird, das Betamännchen zu spielen, wobei das Betamännchen durchaus weiblich sein kann und dann vom Mitarbeiterrudel gerne Drachen genannt wird.
Der Boss will glänzen
Hinter dem Leitwolf-Betamännchen-Spiel steckt der verständliche Wunsch des Vorgesetzten, derjenige zu sein, der für die erfreulichen Dinge zuständig ist, der Wohltaten streut und sich großzügig zeigt. Ja, wo immer eine menschlich beeindruckende Geste auszuführen ist, da gehört die Bühne dem Boss. Ob verdiente Mitarbeiter auszuzeichnen sind, erfreuliche Nachrichten verkündet werden können oder Kinder mit großen, staunenden Augen auftauchen, die ein entzückendes Fotomotiv abgeben, da ist der Leitwolf gefragt – und alle anderen treten besser diskret in die Kulissen.
Dagegen ist im Übrigen auch gar nichts zu sagen. Wir erinnern uns an die Aussage von Richard Sennett, der zufolge wir den Mächtigen ja bewundern wollen. Wenn der Boss also den Wohltäter spielt, dann erfüllt er damit auch einen Wunsch seiner Mitarbeiter und stärkt ihre Loyalität. Wer dafür kein Verständnis hat, der ist als Nummer zwei völlig ungeeignet.
Vom Wolf zum Bock
Der eigentlich kritische Punkt bei diesem Spiel ist die Rolle des Betamännchens. Nicht nur weil es wenig verlockend ist, sich als Spielverderber unbeliebt zu machen, sondern auch, weil es zu kuriosen Konflikten kommen kann, wenn der charismatische Leitwolf so großzügig gar nicht ist, wie er sich gibt. Dann staucht er auf der Hinterbühne (vgl. Seite 26) sein Betamännchen zusammen, weil es einen Geschäftspartner nicht gnadenlos genug heruntergehandelt hat, während er auf der Vorderbühne eben diesem Geschäftspartner die Ohren vollsäuselt. Noch drastischer liegt der Fall, wenn er auf der Vorderbühne vollmundige Versprechungenabgibt und erwartet, nein, verlangt, dass sein Betamännchen die wieder aufkündigt, wobei es selbstredend dafür geradestehen soll. Das hat dann allerdings nichts mehr mit dem Leitwolf-Betamännchen-Spiel zu tun, sondern der Leitwolf macht sein Betamännchen zum Bock, zum Sündenbock nämlich. In solchen Fällen kann die Nummer zwei auch kaum darauf hoffen, dass es vom selbstherrlichen Boss geschützt wird. Wenn es kritisch wird, lasst er den unbeliebten Stellvertreter einfach über die Klinge springen, um sich ein weiteres Mal den Beifall der anderen zu sichern.
Gefahren
Für den Leitwolf ist es oft gar nicht so einfach, sich ein loyales Betamännchen heranzuziehen. Auch können die Konflikte mit dem Erbsenzähler aus dem Ruder laufen und seine Autorität beschädigen. Als Schönwetter-Boss, der vor seinem Betamännchen ständig einknickt, erwirbt man sich nicht gerade Respekt. Noch verheerender kann sich das angesprochene Wechselspiel zwischen Vorder- und Hinterbühne auswirken. Wenn die Sache auffliegt, ist der noble Leitwolf als eitler, verlogener Geizkragen entlarvt. Und die Wahrscheinlichkeit, dass sie auffliegt, nimmt zu, je stärker er sein Betamännchen hinter den Kulissen schurigelt. Solche Vorkommnisse sprechen sich schnell herum. Schließlich gibt es kaum ein reizvolleres Thema, als wenn jemand seinen glänzenden Ruf ruiniert.
Damit das Leitwolf-Betamännchen-Spiel funktioniert, dürfen Sie keinen Zweifel daran lassen, dass Sie das humorlose Treiben der Nummer zwei im Prinzip gutheißen und dass Sie zu ihr stehen.
Gegenstrategien
Hat Sie Ihr Boss als Betamännchen vorgesehen, dann können Sie sich dieser Rolle kaum entziehen. Und ganz so schlecht ist sie eigentlich auch gar nicht, zumindest wenn Ihr Chef loyal mit Ihnen zusammenarbeitet und Sie nicht als Sündenbock missbraucht. Auch erweist es sich als günstig, wenn Sie vom
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