MacKenzie 02 - Bittersuesse Qual Der Liebe
lähmte ihre Füße und beanspruchte ihre ganze Aufmerksamkeit.
Und schien ihr zuzuwinken.
Oder genauer gesagt, der mit einem Tuch bedeckte Granitbrocken in der Truhe winkte ihr.
Der Stein des Gutsherrn.
Das Blut dröhnte in ihren Ohren, als sie die so harmlos aussehende Truhe anstarrte. Der Legende nach maß der Stein des Gutsherrn die Tapferkeit und Ritterlichkeit eines Mannes, bevor er einen neuen Herrn von Dunlaidir anerkannte. Müsste dann nicht auch die kühne Inbesitznahme ihrer Gemächer durch den Sassenach, die bloße Nähe seiner eindrucksvollen Persönlichkeit das Urteil dieses Steins beeinflussen?
Ihn zum Weinen bringen?
Falls er tatsächlich dazu in der Lage war.
Bevor sie es verhindern konnte, ließ sie sich auf die Knie nieder, hantierte an dem kalten Eisenriegel herum und klappte den Deckel der Truhe auf.
Nicht, dass sie an derartigen Unsinn glaubte.
Doch falls auch nur die geringste Möglichkeit bestand, dass die Legende stimmte, würden die Tränen des Steins bedeuten, dass Sir Marmaduke als Herr der Burg auf Dunlaidir verbleiben würde, dass seine unzweifelhafte Kraft ihrer aller Sicherheit garantieren und seine körperliche Anwesenheit die Bedürfnisse, die er in ihr geweckt hatte, stillen würde.
Körperliche Bedürfnisse, denen sie dann ohne Reue nachgeben durfte.
Mit einem flüchtigen Blick zur Tür, die sie mit voller Absicht nicht verriegelt hatte, horchte sie angestrengt auf Schritte. Aber die einzigen Geräusche, die sie vernahm, war das Prasseln des Kaminfeuers und das dumpfe Pochen ihres eigenen Herzens.
Die mächtige Burg war still, ihre starken Mauern und die zwischen ihnen Lebenden mit sich in Frieden.
Selbst Leo schlief. Zusammengerollt lag der kleine Hund auf seinem Bettchen und war sich des Tumults, der in ihr tobte, genauso wenig bewusst wie der schwarze Wind, der draußen an den Fenstern vorbeijagte.
Caterine atmete erleichtert auf.
Niemand würde Zeuge ihrer Torheit werden.
Und dann nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und hob den Stein des Gutsherrn aus der Truhe.
Ohne die leisen inneren Stimmen zu beachten, die sie eine Närrin schimpften, richtete sie sich auf und trug die schwere hölzerne Schale zu der nächsten Öllampe. Ein Luftzug ließ die Bronzelampe an ihrer Kette schwanken, aber ihre Flamme brannte hell und ruhig ... und verbreitete genügend Licht, um den Stein in Augenschein zu nehmen.
Falls sie wagte, es zu tun.
»Oh, Heilige Maria Muttergottes«, murmelte sie, irritiert über sich selbst, weil sie dieses lächerliche Stück Granit herausgenommen hatte, und noch irritierter über ihre albernen Bedenken, einen Blick darauf zu werfen.
Dann, mit genügend Leidenschaft in ihrem Blut, um das kühnste Herz mit Stolz zu erfüllen, straffte sie sich und riss das Tuch von dem Stein.
Er war trocken.
Knochentrocken. Nicht ein einziges Tröpfchen Feuchtigkeit glitzerte auf seiner mit Quarz gesprenkelten Oberfläche oder der glatten Maserung der Holzschale.
Wie betäubt vor Ernüchterung und Enttäuschung, starrte Caterine den hochverehrten Stein des Gutsherrn an und wäre am liebsten selbst in Tränen ausgebrochen.
Weil sie so dumm gewesen war.
Und vor allem, weil sie sich und wenn auch nur für einen winzigen Moment lang, eingebildet hatte, ein kalter Brocken Stein könne vielleicht tatsächlich weinen.
***
Zur selben nächtlichen Stunde, zwei Etagen tiefer, boten die kalten Steinwände der Keithschen Familienkapelle Sir Marmaduke und einigen wenigen ausgewählten Männern einen etwas ungewöhnlichen Ort für eine heimliche Zusammenkunft.
Seinen eigenen Männern.
Den vier MacKenzies aus Kintail.
Und dem alten Pater Thomas, der aus Notwendigkeit und aus Respekt ebenfalls zu diesem Treffen gebeten worden war.
Die vertrauliche Natur ihrer Zusammenkunft war ihnen allen voll bewusst, als sie sich vor dem Lettner drängten. Sie unterhielten sich mit leiser Stimme und ignorierten tapfer die beißende Kälte, die durch die Sohlen ihrer Schuhe drang und ihre Nasenspitzen und ihre Ohren rötete.
Marmaduke unterdrückte das Bedürfnis, mit den Füßen gegen die Kälte aufzustampfen, rieb sich die Hände und starrte zu der wie ein Rad geformten Corona lucis über ihren Köpfen auf, deren Unmengen brennender Kerzen seinen Blick wie magisch anzogen.
Die feinen Wachskerzen warfen bizarre Schatten auf die ernsten Gesichter der Männer und erzeugten ständig wechselnde Muster fahlen Lichts auf den prachtvollen Wandgemälden der Kapelle.
Nichts anderes
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