MacLean 02 - Im Suessen Bann Der Versuchung
ihren Augen lesen konnte.
Schnell trat er vor und nahm sie in die Arme, zog sie an sich und versuchte zumindest etwas von seiner Wärme auf sie zu übertragen, da es einfach keinen anderen Trost für derlei Gräuel gab. »Sag mir, dass du diese grauenvollen Dinge nicht selbst mit angesehen hast?«
Sie klammerte sich an ihn und begann am ganzen Körper zu zittern. »O doch, ich habe den Untergang von Abercairn mit eigenen Augen gesehen«, antwortete sie mit einem tiefen, kummervollen Seufzer. »Ich war dabei, als man meinen Vater und die jungen Männer auf Scheiterhaufen, die Sir Bernhard Logie vor den Burgtoren hatte errichten lassen, bei lebendigem Leib verbrannte.«
Ihr Gesicht war leichenblass, als sie den Blick zu Iain erhob, und ihre Augen schimmerten von immer wieder zurückgehaltenen Tränen. »Weißt du, wie sehr ich meinen Vater liebte? Er bedeutete mir mehr als alles andere auf der Welt«, sagte sie leise, und ihr Kummer zerriss Iain schier das Herz. »Es ist wahr, dass ich fast nie über ihn spreche, aber das tue ich nur deshalb nicht, weil ich den Schmerz, an ihn zu denken, einfach nicht ertragen kann.«
Ihre Finger bohrten sich in Iains Schultern, und die Worte kamen wie ein Sturzbach über ihre Lippen. »Und die Jungen! Logies Männer ergriffen sie — die meisten von ihnen waren unschuldige Ziegenhirten. Sie drohten, sie bei lebendigem Leibe zu verbrennen, sollte mein Vater die Burgtore nicht sofort öffnen. Er kam dem Befehl natürlich unverzüglich nach, aber Silberbein verschonte die Jungen trotzdem nicht.«
Iain stockte der Atem, und ein eisiger Schauder lief ihm über den Rücken. »Silberbein ?«
Madeline presste die Fäuste gegen ihre Augenlider, um ihre Tränen zurückzuhalten, und dann nickte sie. »Sein Name ist Sir Bernhard Logie, aber er nennt sich Silberbein, der kleinen silbernen Votive wegen, die er in Kirchen und Kathedralen hinterlässt. Es heißt, er habe als Kind ein lahmes Bein gehabt und irgendein obskurer Heiliger habe ihn geheilt, und deswegen pilgert er nun zu heiligen Gedenkstätten, in welcher Gegend auch immer er sich gerade befindet. Er hinterlässt die Votive gewissermaßen als Zeichen seiner Dankbarkeit«, erklärte sie. Sie sprach sehr schnell und empfand Erleichterung, sich ihren großen Kummer endlich von der Seele reden zu können.
»Er ist einer der Entrechteten, der aus England zurückkehrte, um Edward Balliol zu unterstützen, aber sein eigenes Gut - das, das er verlor - ist nicht so einträglich wie unseres, und deswegen wollte er Abercairn und hat es sich genommen.«
Iain runzelte die Stirn. »Und dein Vater? Was ist mit ihm?«
»Mein Vater ist ... er war ein kranker Mann«, sagte sie und blinzelte wieder, um ihre Tränen zu verdrängen. »Ein gutherziger Mensch und überall beliebter Gutsherr. Aber er war kein Krieger, sein Interesse galt der Literatur. Er war ein Mann der Gelehrsamkeit und damit ein leichtes Ziel für einen so rücksichtslosen Schuft wie Silberbein.«
Iain schob eine Hand unter ihr feuchtes Haar und begann behutsam ihren Nacken zu massieren, erstaunt, dass er seine Finger überhaupt noch so sanft bewegen konnte bei all der Wut, die in ihm kochte. Aber Sanftheit war genau das, was Madeline jetzt brauchte.
Ein bisschen liebevolle Fürsorge und Zärtlichkeit.
»Du hast gesehen, wie sie deinen Vater getötet haben? Sie haben ihn vor deinen Augen auf einem Scheiterhaufen verbrannt?« Galle stieg in Iains Kehle hoch, Wut auf die Bestien, die diese schändlichen Taten begangen hatten.
Sie zögerte und atmete mehrmals tief durch, bevor sie seine Frage beantwortete. »Ich habe nur gesehen, wie sie ihn zu dem Scheiterhaufen führten. Die beiden Männer vorhin unten in der Gaststube ... sie waren es, die ihn dorthin geleiteten.«
»Herrgott noch mal!«, fluchte Iain, während er innerlich schwor, das Schicksal dieser beiden Männer eigenhändig zu besiegeln. »Ich hätte sie auf der Stelle niederstrecken sollen!« Es durchlief ihn heiß und kalt zugleich, wilder, unbändiger Zorn übermannte ihn. »Du kannst dir sicher sein, dass ich Vergeltung für das üben werde, was man dir und den Deinen angetan hat, und wenn ich diese Kerle durch das ganze Land verfolgen muss!«
Sein Entsetzen über all das Schreckliche, das Madeline durchgemacht hatte, war riesig. »Du hast also nicht mit angesehen, wie es geschah?«
Sie zögerte, dann schüttelte sie den Kopf. »Ich habe ihn nicht ... brennen sehen«, bestätigte sie und wischte sich mit dem
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