MacTiger - Ein Highlander auf Samtpfoten
Arzt kam sie einfach nicht an. Keiner ihrer mürrischen Kommentare konnte ihn davon abhalten, das für sie zu tun, was er für richtig hielt, und kurz darauf lag meine Tante unter der Decke.
»Golfball, rrrichtig?«
»Ja, Herr Doktor.« Ich hatte mich wieder einigermaßen beruhigt, und leider brach daraufhin mein Sinn für die Komik der Situation wieder durch, und ich fügte hinzu: »Aber das Geschoss steckt nicht mehr in der Wunde.«
»Was? Oh...« Dr. Jennings brach in ein gedämpft dröhnendes Gelächter aus, und Tante Henrietta sah ihn missbilligend an.
Aber er behandelte sie überraschend sanft, gab ihr schließlich ein Schlafmittel und trug mir auf, die Beule laufend zu kühlen.
»Nicht so schlimm, das. Zwei Tage im Bett bleiben, dann ist alles wieder in Ordnung. Aber sehen Sie hin und wieder nach Ihrer Tante. Sollte eine Veränderung eintreten, rufen Sie mich an. Hier ist meine Nummer.«
Mit diesen Anweisungen verließ er mich, und ich hatte wieder die Aussicht auf zwei Tage Hausarrest. Das Beruhigungsmittel wirkte ziemlich rasch, und Tante Henrietta fiel in einen ruhigen Schlaf. Ich erlaubte mir, in meinem Zimmer einen kleinen Imbiss zu mir zu nehmen, und plünderte anschließend das Bücherregal des Hotels. Mit einem Stapel erfreulich gruseliger Gespenstergeschichten setzte ich mich dann in die Nähe von Tante Henriettas Bett und frischte meine Kenntnisse in Spuk und Geisterwesen auf.
Das kalte Grauen
Es wurde in den nächsten Tagen richtig lustig. Mit dem neuesten Schub Gäste waren drei ältere Damen eingetroffen, die ganz wunderbar das Zeug zur Hysterie hatten. Ihr liebstes Gesprächsthema war der Fluch, der auf Drumnadruid Castle lag. Die anderen Leute taten solche Äußerungen zwar immer mit einem besserwisserischen Lächeln ab, aber diese drei schienen es endlich ernst zu nehmen. Vor allem, nachdem die knochige Alte halb bewusstlos die Treppen hinaufgeschleppt wurde. Danach hatten sie nichts anderes zu tun, als alle furchtbaren Begebenheiten durchzusprechen, die im Zusammenhang mit dem angeblichen Fluch standen. Ich machte mich bereit, ihre Befürchtungen zu untermauern.
Sie waren früh zu Bett gegangen. Die beiden Jüngeren hatten ein gemeinsames Zimmer, die Ältere schlief allein nebenan. Ich entschloss mich, das Doppelzimmer zu beglücken.
Natürlich nicht mit meiner größten und glanzvollsten Rolle als fauchende Wildkatze, so viel Einsatz waren sie dann doch nicht wert. Es genügte meine normale Gestalt, unterstrichen mit einer reichlichen Portion glühender Augen.
Es war herrlich. Kaum hatte ich mich mit einem Rappeln an den Fensterläden bemerkbar gemacht, wachten die beiden schon auf. Ich posierte zunächst regungslos am Fußende der Betten und stieg dann langsam in die Höhe.
Starr vor Entsetzen lagen die beiden in den Federn, die Haare wild gesträubt, die Augen weit aufgerissen. Dann schwebte ich langsam unter den Betthimmel und zeigte mein Gebiss in einem angedeuteten Fauchen.
Ah, wie sie schrien. Wie sie sich unter den Bettdecken versteckten. Wie sie zitterten und zagten. Es war wie in alten Zeiten, als Kindermädchen, Köchinnen, Gärtnerburschen und hartgesottene Schlossherren sich in namenlosem Grauen vor mir wanden.
Ich kostete das Entsetzen bis zum Unsichtbarwerden aus. Dann entschwand ich durch den Korridor - in the night’s Plutonian shore! 10
Gespenstergeschichten
Manchmal ist es gar nicht schlimm, unter Schlaflosigkeit zu leiden. Diesmal erwies es sich sogar als nützlich. Tante Henrietta war ein paarmal kurz aufgewacht, aber sie schien keine weiteren bedrohlichen Symptome zu entwickeln, die auf eine ernsthafte Gehirnerschütterung schließen ließen. Ich kühlte ihre Stirn, brachte ihr etwas Saft, einen Teller Suppe und versank wieder in den wundervollen schottischen Sagen und Märchen. Ich weilte im Reich der Feenköniginnen und Riesen, begegnete seltsamen Ungeheuern, die in den Lochs hausten, und lächelte über die Streiche der netten Hauskobolde, der Brownies.
Dann, gegen Mitternacht, wurde ich plötzlich von einem grässlichen Schrei aus meiner Versenkung aufgeschreckt. Es hörte sich an, als sei ein blutrünstiger Schottenclan über eine Ladung Touristen hergefallen und drauf und dran, sie in den Betten zu meucheln.
Türen flogen auf, Schritte klapperten den Korridor entlang, hysterisches Schluchzen erklang. Ich vergewisserte mich, dass Tante Henrietta tief genug schlief. Es war besser, wenn sie nichts von der Unruhe mitbekam. Dann streckte ich meine
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