MacTiger - Ein Highlander auf Samtpfoten
Tante Henrietta wie erwartet.
»Dumme Weiber. Zu viel Horrorfilme gesehen.«
»Wart nur, Tante Henrietta, bald ist Vollmond, dann erscheint uns allen der Geist mit den glühenden Augen, das komische Schwert über dem Kamin stürzt herab, und MacDuffnet wälzt sich in seinem Blute.«
»Margita, du hast eine verrückte Fantasie.«
Es klang vorwurfsvoll, aber ein kleines Lächeln zuckte um ihre Lippen. Sie wirkte auch nicht mehr ganz so blass wie noch vor einigen Minuten.
Ich blickte entspannt zu den Bergen hin, den Tälern, dem Grün des Golfplatzes und seufzte beglückt bei dem Anblick.
»Weißt du, eigentlich finde ich es gar nicht schlimm, dass wir hier gestrandet sind, Tante Henrietta. Du musst doch zugeben, es ist eine wundervolle Landschaft. Das Wandern in dieser unverdorbenen Natur empfinde ich als sehr erholsam.«
»Es bildet aber nicht.«
Auf dem Golfplatz holte John-Tom zu einem gewaltigen Schlag aus, und ein mächtiges Stück Rasen flog durch die Luft.
»Ach, das würde ich nicht sagen. Wir könnten zum Beispiel einen Golfkurs belegen.«
Was immer Tante Henrietta darauf erwidern wollte, es blieb ungesagt. Sie sank plötzlich an meiner Schulter zusammen und rutschte langsam von der Bank zu Boden.
Einen Moment lang war ich viel zu verblüfft, um mehr zu tun, als sie nur in einem festen Griff zu halten. Es dauerte einige Augenblicke, bis ich endlich auf die Idee kam, sie mir näher anzusehen. Eine sich langsam rot färbende Stelle befand sich an ihrer wachsbleichen Schläfe. Und ein gelbes Bällchen kullerte hüpfend den steinigen Weg entlang.
John-Tom gestikulierte noch immer herum, nicht ahnend, was er angerichtete hatte. Dieser Klugscheißer ging mir wirklich auf den Geist. Ich bettete mit einiger Anstrengung Tante Henrietta auf die Bank, zog meine Jacke aus, legte sie ihr unter den Kopf und sprintete los. Das archaische Erbe kroch wieder meine Wirbelsäule hoch und brach in voller Wucht aus mir heraus, als ich die Gruppe der Jungmanager erreichte. Ich sprach John-Tom genau so schnöselig an, wie es dem Ton dieser Herrschaften entsprach: »Hey, Sie!«
»Ach, schau mal an, der Blaustrumpf. Wo ist denn die Frau Tante?«
»Wo ist denn Ihr Bällchen, Sie Rasenpflüger?«
Verdutzt zwinkerte er und schaute vage in die Richtung, die er anvisiert hatte.
»Vergessen Sie es«, fauchte ich. »Da vorn ist nur das Stück Grassode gelandet. Den Ball hingegen haben Sie in Ihrer gottgewollten Dämlichkeit über den Weg geschlagen. Er hat meine Tante dort drüben auf der Bank an der Schläfe getroffen.«
Er hatte sich wieder gefangen und plusterte sich auf: »Was gehen Sie auch so nahe am Green vorbei? Damit muss man doch rechnen.«
»Sagen Sie mal, sind Sie so blöd, oder tun Sie nur so? Ich habe doch gesehen, wie Sie eben den halben Platz umgegraben haben. Was meinen Sie, mit welcher Wucht sie getroffen worden ist? Ich brauche Hilfe, und zwar so schnell wie möglich.«
Ich war richtiggehend fuchsteufelswild.
»Ja, dann sollte einer von uns zum Clubhaus...«
»Schnell, habe ich gesagt. Ihr smarten Typen schleppt doch immer eure Handys mit euch herum.«
Er sah mich von oben herab an und wühlte in seiner Jackentasche.
»Wen soll ich denn anrufen? Die Feuerwehr, die … die Gebirgswacht? Ich kenne mich hier nicht aus.«
»Den Notruf, Sie Trantüte.«
»Was ist denn los, John-Tom?«
Nun kam auch noch der Junge von Nummer vierzehn dazu. In seiner Begleitung die blonde Walküre Gina.
»Sie schon wieder!«, giftete ich.
»Die kleine Dame behauptet, ich hätte ihre Tante mit dem Golfball erlegt. Und jetzt macht sie Theater, ich solle die Reitende Gebirgsmarine zu Hilfe rufen.«
Immerhin schien Ken einen Rest von Vernunft zu besitzen.
»Hör mal, John-Tom, damit ist nicht zu scherzen. So etwas kann tödlich enden.«
»Du spinnst, Ken...«
John-Tom wurde plötzlich blass.
»Nein, ist schon vorgekommen. Hast du Hilfe gerufen?«
»N... och nicht. W... w... was soll ich denn anrufen?«
Er fummelte mit zittrigen Fingern an seinem Handy herum. Mir wurde es langsam zu viel. Mit einem Auge beobachtete ich meine Tante noch immer. Sie hatte sich die ganze Zeit über nicht gerührt, und ich fühlte allmählich Panik aufsteigen, obwohl Ken mit dem Rücken zu uns in sein mobiles Telefon sprach.
»Hört mal, ihr begnadeten Troubleshooter, wenn ihr nicht bald Hilfe organisiert, verklage ich euch wegen unterlassener Hilfeleistung.«
»Na, dann kann Ken endlich den edlen Ritter spielen, der er immer sein
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