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Madam Wilkin's Palazzo

Madam Wilkin's Palazzo

Titel: Madam Wilkin's Palazzo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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denn Mr. Bittersohn so plötzlich
verschwunden war.
    Mariposa, Sarahs Vertraute, Managerin
und gute Freundin, die außerdem die Rolle des Zimmermädchens spielte, hatte
sich den Tag freigenommen, um ihn mit ihrer riesigen Verwandtschaft zu
verbringen. Charles, Mariposas Mentor, Zimmergenosse und vieles andere mehr,
reichte gerade Sherry und Horsd’œuvres. Als er mit dem silbernen Tablett zu
Sarah kam, flüsterte sie ihm zu: »Wo ist denn bloß Mr. Bittersohn hingegangen?
Er hatte mich doch ausdrücklich gebeten, Mr. Brooks und Mrs. Tawne einzuladen.«
    »Er telefoniert gerade mit London,
Madam. Scotland Yard hat seit Stunden versucht, ihn zu erreichen.«
    »Großer Gott! Ich hoffe, er hat daran
gedacht, ein R-Gespräch anzumelden!«
    Charles schenkte ihr die winzige
Andeutung eines mitleidigen Lächelns und entfernte sich mit seinem Tablett.
Kurz darauf gesellte sich Mr. Bittersohn wieder zu ihnen und sah dabei eher aus
wie jemand aus einer Anzeige im Wirtschaftsmagazin Fortune als jemand,
der Kontakte mit Scotland Yard pflegte. Charles riß die Flügeltüren zum
Eßzimmer auf, und die ganze Gesellschaft schwärmte hinein. Wie an
Sonntagabenden üblich, war das Abendessen auf dem Buffet auf großen
Silberplatten angerichtet, und die Herren servierten den Damen, mit Ausnahme
von Professor Ormsby, der viel zu sehr damit beschäftigt war, sich selbst zu
bedienen.
    Mrs. Sorpende machte ihnen wirklich
alle Ehre. Sarah hatte zwar keinen Schimmer, was sie genau zubereitet hatte,
doch alles sah ganz köstlich aus. Brooks schaufelte galant Essen auf Mrs.
Sorpendes Teller. Seine Augen befanden sich dabei auf derselben Höhe wie ihr
herrliches spitzenverziertes Dekollete, ein Anblick, den er offenbar sehr
genoß. Glücklicherweise hatte Max Bittersohn sich daran gemacht, Mrs. Tawne die
Sprache zu verschlagen, so daß diese viel zu betört war, um den schnöden Verrat
ihres Begleiters zu bemerken. Charles widmete sich Mrs. Gates, und Mr.
Porter-Smith versorgte Miss LaValliere. Sarah zuckte die Achseln und nahm sich
selbst etwas.
    Mrs. Sorpende war wirklich eine
hervorragende Köchin. Sie fielen wie ein ausgehungerter Heuschreckenschwarm
über das Buffet her, dann räumte Charles die Teller ab und brachte eine
Schichttorte, die mit Schokolade, Rum und Gott weiß was für anderen
Köstlichkeiten zubereitet war. Dazu tranken sie ihren Kaffee. Während der
Sättigungsgrad allmählich zunahm, wurde die Unterhaltung immer lebhafter. Mrs.
Tawne begann damit, ihre Theorie darüber zu verbreiten, was alles mit der
modernen Kunst nicht stimmte, und das war offenbar eine ganze Menge, während
Mr. Porter-Smith, ein junger Herr von grenzenloser Belesenheit und reizbarem
Temperament, Einwände dagegen erhob. Mr. Bittersohn stachelte sie an, Cousin
Brooks dagegen ignorierte sie und teilte dafür Mrs. Sorpende alles Wissenswerte
über den weißen Silberreiher mit. Sie lächelte ihr Mona-Lisa-Lächeln und machte
passende Bemerkungen, wobei ihre Stimme, wie Sarah hören konnte, von Brooks
charmant mit dem Ruf einer Weißflügeltaube oder Zenaida asiatica verglichen
wurde.
    Miss LaValliere, die trotz ihrer
Kleidung beziehungsweise ihres auffallenden Mangels an Kleidung ein
wohlerzogenes Mädchen war, hörte höflich demjenigen der Älteren zu, der gerade
am lautesten redete. Mrs. Gates nippte an ihrem Tee, da sie abends keinen
Kaffee mehr trinken durfte, und glättete die Wogen. Professor Ormsby lud sich
ein weiteres Stück Torte auf den Teller.
    Schließlich gelang es Mr. Bittersohn,
das Gespräch auf die Gemälde in Madam Wilkins’ Palazzo zu bringen. »Mrs. Tawne,
was halten Sie eigentlich von dem Romney, der an der Treppenhausseite im Großen
Salon hängt?«
    »Konventioneller Kitsch!« schnaubte Mr.
Porter-Smith, den niemand nach seiner Meinung gefragt hatte, verächtlich.
»Scheußliche Farbgebung, geschmacklose Bildanlage, lebloser Pinselduktus — «
    »Der Herr hat nicht Sie, sondern mich
nach meiner Meinung gefragt«, wies ihn Mrs. Tawne zornig zurecht. »Und zu Ihrer
Information — «, dabei betonte sie jedes einzelne Wort, »ich halte diesen
Romney für eines der schönsten Werke der gesamten Sammlung. Es repräsentiert
die Kunst der Porträtmalerei auf ihrem absoluten Höhepunkt von Subtilität und
Anmut. Romneys poetische Bildsprache bei der Darstellung des Modells als Venus
mit Rosen und Liebesengeln — «
    »Theatralischer Quatsch! Die Frau war
doch schon 57 Jahre alt, als sie mit dem Modellsitzen anfing.«
    »56. Und was

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