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Madam Wilkin's Palazzo

Madam Wilkin's Palazzo

Titel: Madam Wilkin's Palazzo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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Zentimeter breiten, teuren Spitzen verziert gewesen war. Aus den diversen
Négligés, Morgenröcken, Dessous und sogar French Knickers hatte sich Mrs.
Sorpende seitdem eine Garderobe kreiert, in der selbst ein verhutzeltes altes
Mütterchen wie die göttliche Greta Garbo persönlich ausgesehen hätte. Da heute
abend keine Abendkleidung getragen wurde, hatte sie etwas angezogen, was Sarahs
Großmutter höchstwahrscheinlich als »Kleid zum Tee« bezeichnet hätte.
    Theonia Sorpendes Formen entsprachen in
etwa denen der Venus von Milo, mit dem Unterschied, daß sie zarte weiße Arme
und auffallend schöngeformte Hände besaß und ihre Oberweite weit üppiger ausfiel.
Ihr Alter verbarg sie hinter einem Mona-Lisa-Lächeln. Ihr Haar, das früher
rabenschwarz gewesen war, glänzte jetzt an einigen Stellen, wo böswillige
Personen sicher graue Strähnen vermutet hätten, in schönem Kastanienbraun. Was
sie von Kosmetik verstand, ging schließlich niemanden etwas an. In ihrem
enganliegenden malvenfarbenen Georgettekleid mit Volantbesätzen aus Ekrüspitze
erinnerte sie ein wenig an Joe Witherspoons Lucretia, allerdings war sie
bedeutend frischer, lebendiger und auf viel üppigere Weise sexy.
    Glücklicherweise war Dolores Tawnes
Fell so dick wie ihre Fesseln. Ohne zu bemerken, daß ihr Begleiter ihr gerade
den Laufpaß gegeben hatte, grüßte sie die alterslose Schönheit mit einem
freundlichen Wortschwall, wobei ihr völlig entging, wie lange Brooks Kellings
Hand Mrs. Sorpendes Finger mit den rosafarbenen Nägeln umklammert hielt. Sarah
allerdings bemerkte es sehr wohl und hielt es für das Beste, Mrs. Tawnes
Aufmerksamkeit für alle Fälle auf etwas anderes zu lenken.
    »Mein Cousin hat mir erzählt, daß Sie
sich so hervorragend um die Gemälde von Madam Wilkins kümmern.«
    Erstaunlicherweise schien sie
ausgerechnet mit dieser Bemerkung einen wunden Punkt getroffen zu haben. »Ich
bin selbst Malerin«, brauste die Angesprochene nämlich auf, »hat Brooks Ihnen
das etwa nicht erzählt?«
    »Nun ja, ich glaube — «
    »Ich habe die Porträts von vielen
Prominenten gemalt. Alle Präsidenten des Vereinigten Handelshauses — vom
Gründer des Unternehmens bis hin zum jetzigen Vorstandsvorsitzenden. Sechs
Generationen.«
    »Meine Güte! Aber Sie können sie doch
sicher nicht alle persönlich gekannt haben?«
    »Nein, so alt bin ich nun doch nicht,
auch wenn ich vielleicht so aussehe.« Mrs. Tawne klatschte sich vor Freude über
den eigenen Witz auf ihren fleischigen Oberschenkel. »Ich arbeite dabei
natürlich nach Fotografien.«
    »Ach so. Das ist aber bestimmt sehr
schwierig.«
    »Einfacher als bei richtigen Modellen.
Fotografien wibbeln nämlich nicht ständig auf ihrem Stuhl herum.« Auch diesen
Ausspruch schien Mrs. Tawne äußerst lustig zu finden. »Ich arbeite
ausschließlich nach Fotografien.«
    Zweifellos hatte auch Mrs. Tawne wie
alle übrigen Sterblichen ihre Schwächen, doch übertriebene Bescheidenheit
gehörte ganz sicher nicht dazu. Als sie sich in die Bibliothek begaben, um vor
dem Essen ihren Sherry einzunehmen, eine Gewohnheit, die aus Sarahs Haushalt
inzwischen nicht mehr wegzudenken war, ließ sich Dolores weiterhin über alles
aus, worüber sie Bescheid wußte und was sie tatsächlich gemacht hatte, und
beschrieb, welche Höhen sie hätte erklimmen können, wenn ihr nicht die
neidische Konkurrenz Steine in den Weg gelegt und Verleumdungskampagnen gegen
sie angezettelt hätte.
    Während ihres Monologes trudelten
allmählich auch die anderen Pensionsgäste ein. Mr. Eugene Porter-Smith erschien
in einem marineblauen Anzug mit Nadelstreifen und einem zitronengelben Hemd mit
zitronengelber Krawatte, Jennifer LaValliere in etwas, das man kaum noch als
Kleid bezeichnen konnte, Professor Ormsby in einem neuen grünen
Rollkragenpullover, der seinem alten grünen Rollkragenpullover zum Verwechseln
ähnlich sah, und Mrs. Gates, die neue Bewohnerin des ehemaligen Rauchsalons im
Erdgeschoß, in einem wunderbar geschmackvollen, hauchdünnen Wollkleid in zartem
Korallenrot, was ihre rosafarbenen Bäckchen hervorragend zur Geltung brachte
und auf das Charmanteste mit ihrem silbergrauen Haar kontrastierte.
    Zufällig hatten Mrs. Gates und Mrs.
Tawne früher einmal im selben Komitee für eine Kunstausstellung gesessen, deren
Erlös dem Kinderkrankenhaus zugeflossen war. Die beiden Damen begannen ihre
alte Bekanntschaft aufzufrischen, so daß Sarah sich diskret zurückziehen
konnte. Sie fragte sich allmählich, wohin

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