Madam Wilkin's Palazzo
gerichtet und sich mit allem, was sie noch retten konnte, bevor
die Konkursverwalter auftauchten, nach Zürich abgesetzt. Für Brooks war es
natürlich ein Heidenglück, daß er mit dem Erbe nichts zu schaffen hatte, denn
sonst hätte er mit allem, was er zu dem Zeitpunkt besaß, dafür geradestehen
müssen. Bisher hat Brooks also immer genauso gelebt, wie es ihm gerade gefiel.
Ich habe es stets sehr schade gefunden, daß ich keinen engeren Kontakt zu ihm
hatte, aber mein Vater hat ihm damals nicht verziehen, daß er nicht
eingegriffen hat, um die Firma seines Vaters zu retten, und ich glaube, Dolph
trägt ihm das auch heute noch nach, obwohl Brooks wirklich überhaupt nichts
hätte tun können. Nach allem, was ich gehört habe, muß seine Mutter eine Art
Dolores Tawne gewesen sein, was vielleicht seine Schwäche für weibliche
Tyrannen erklärt. Jedenfalls hat Brooks Tante Caroline nie gemocht, und ich
fürchte, daß er Alexander immer für einen Mann ohne Rückgrat gehalten hat.
Trotzdem ist er ab und zu bei uns aufgetaucht, um Geld für Nistkästen für
notleidende Blaukehlchen oder ähnliches zu sammeln. Ich habe den Verdacht, daß
Brooks mich nach Alexanders Tod nicht besucht hat, weil er nicht in der Stadt
war und keine Lokalzeitungen gelesen hat, so daß er sich in dem Glauben befand,
ich sei eine reiche Witwe. Jetzt, wo er weiß, daß ich absolut pleite bin, wird
er sicher ständig auf der Matte stehen und mir anbieten, die Fliegenfenster
anzubringen oder die tropfenden Wasserhähne zu reparieren.«
»Dann lassen Sie ihn doch. Wo wohnt er
eigentlich?«
»Ich habe vergessen, ihn zu fragen. In
irgendeiner Pension, nehme ich an. Er zieht ziemlich oft um. Seine
Vermieterinnen sind immer notleidende Witwen wie ich, und er hat den Verdacht,
daß sie es auf ihn abgesehen haben, womit er sicher nicht unrecht hat.«
»Ich hoffe, er zieht nicht etwa um,
bevor er für mich herausgefunden hat, ob der Reißverschluß an Joe Witherspoons
Hose offen oder zu war, als er vom Balkon fiel.«
»Also wirklich, Mr. Bittersohn, Sie
kommen aber auch auf die merkwürdigsten Themen.«
»Ich dachte, Sie wollten mit zur
Verschwörerbande gehören?«
»Das möchte ich tatsächlich, und ich
verstehe auch genau, worauf Sie aus sind. Sie wollen also dieser Angelegenheit
bei Madam nachgehen, obwohl Sie dazu weder angeheuert noch eingestellt wurden
oder wie das richtige Wort auch heißen mag.«
»Versuchen Sie es mal mit engagiert.
Sicher, und warum sollte ich das nicht? Die Treuhandverwalter können mich doch
erst auf den Fall ansetzen, wenn sie wissen, daß sie ein Problem haben, nicht
wahr? Ich bin wie einer dieser Anwälte, die Krankenwagen hinterherjagen, um
Unfallopfer als Klienten zu gewinnen. Sie wissen nie genau, ob sie sich eine
blutige Nase holen oder ein schönes, fettes Honorar von der Versicherung für
sie herausspringt, aber versuchen tun sie es auf jeden Fall. Wo kommen
eigentlich diese Tassen hin?«
»Lassen Sie sie ruhig auf der Ablage
stehen. Wir brauchen sie zum Frühstück. Ach herrje, da klingelt jemand an der
Tür! Ich mache wohl besser auf.«
Doch Charles eilte bereits die
Kellertreppe hoch, wobei er sich im Laufen seine fertig gebundene Krawatte
zuhakte und sein Jackett zuknöpfte. Als er die Tür erreicht hatte, war er
wieder Mr. Hudson vom Eaton Place persönlich. Eine Sekunde später trat er in
die Küche, steif wie ein Zelluloidkragen. »Ein gewisser Mr. Fieringer möchte
gern Mr. Bittersohn und seine — eh — wunderschöne Freundin sprechen.«
»Ich vermute, damit meint er mich«,
sagte Sarah und errötete ein wenig. »Mr. Bittersohn und ich haben uns heute
nachmittag Mr. Fieringers Konzert zusammen angehört. Wie hat er es denn bloß
geschafft, uns zu finden, wenn er sich noch nicht einmal meinen Namen hat
merken können?«
»Er hat jemanden gefragt. Ich habe
Ihnen doch schon gesagt, Nick kennt jeden.«
»Ich würde gern wissen, was er von uns
will. Charles, sind Mrs. Sorpende und die anderen noch in der Bibliothek?«
»Ja, Madam.«
»Dann führen Sie Mr. Fieringer am
besten nach oben in mein Arbeitszimmer. Bringen Sie ihm einen Likör, wenn er
möchte, und sagen Sie ihm, wir wären gleich oben.«
Sarah hatte eigentlich vorgehabt, Tante
Carolines ehemaliges Boudoir im ersten Stock als Atelier zu benutzen, doch sie
hatte schon sehr bald erkennen müssen, daß sie ein privates kleines Wohnzimmer
brauchte, da Mrs. Gates jetzt den Rauchsalon bewohnte und die Pensionsgäste die
Bibliothek als
Weitere Kostenlose Bücher