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Madam Wilkin's Palazzo

Madam Wilkin's Palazzo

Titel: Madam Wilkin's Palazzo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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dann hörte sie laute Schritte im
Treppenhaus, und eine Stimme sagte irgendwo unten: »Wie ich schon gesagt habe,
Mann, das reinste Kinderspiel!«
     
     

Kapitel
22
     
     
     
     
     
     
    S arah hielt Cousin Brooks’
Leuchtmonogramm gegen das staubige Glas und winkte verzweifelt, doch bestimmt
hatten die beiden Männer im Tizian-Saal den Lärm im Treppenhaus ebenfalls
gehört. Die Eindringlinge machten nicht einmal den Versuch, leise zu sein. Sie
mußten sich ziemlich sicher sein, daß sie von dem Wächter nichts zu befürchten
hatten. Entweder sie hatten ihn gefesselt oder — Sarah betete zu Gott, daß sie
ihn nur gefesselt hatten.
    Die beiden trugen eine Art Lampe, die
einen gelblichen Schein verbreitete, und jetzt konnte Sarah auch erkennen, wer
sie waren. Der eine war Lupe, wie sie erwartet hatte. Der andere war Bengo, der
Maler, der Rembrandts Katze verpatzt hatte. Bengo schwankte unter dem Gewicht
von etwas, das wie ein riesiger Koffer aussah. Lupe schleppte eine Unmenge von
langen, dünnen, stabartigen Objekten, deren obere Enden wie große Tropfen
aussahen. Wollten sie etwa eine abstrakte Skulptur aufstellen? Oder handelte es
sich lediglich um irgendeinen geschmacklosen Witz?
    Nein, so etwas würden die beiden nicht
nur zum Spaß machen. Das paßte so gar nicht zu Lupe. Außerdem gingen sie in den
Tizian-Saal, genau wie Brooks vermutet hatte. Im Schein des trüben Lichts
konnte Sarah erkennen, wie sich ein Schatten von der Rüstung löste und hinter
den beiden herschlich. Ihr Herz erstarrte. Sie war nur noch in der Lage zu
denken: »Ich muß ihn wirklich schrecklich lieben, sonst würde ich doch nicht so
furchtbare Angst um ihn haben.«
    Und wenn sie nun Waffen hatten? Oder
wenn es Cousin Brooks in den Sinn kam, wie Tarzan aus den mittelalterlichen
Schnitzereien auf sie zu springen, und er sie verfehlte? Sarah konnte sich nur
zu genau daran erinnern, wie Joe Witherspoons Körper ausgesehen hatte, als er
vor ihren Augen heruntergestürzt und in den Hyazinthen gelandet war. Doch alle
Wasserspeier blieben an ihren Plätzen, und sie beruhigte sich wieder ein wenig.
    Was hatten die beiden bloß vor? Sie
hörte dumpfe Schläge, Krachen und heftige Wortwechsel in einem veralteten
Slang, der hauptsächlich aus den Worten »eh«, »Mann«, »Mensch« und »kapierste«
bestand. Sie konnte das gelbe Licht hin und her tanzen sehen. Es mußte eine
ganz normale Taschenlampe sein, über deren Glas irgend etwas gespannt war,
damit der Schein von draußen weniger deutlich zu sehen war. Allmählich wurde
ihre Neugier stärker als ihre Vorsicht. Sarah öffnete langsam die gut geölte
Tür und stieg vorsichtig aus der Sänfte. Ihr Fuß stieß gegen die Papiertüte,
und sie zuckte erschreckt zurück, doch das Papierrascheln war offenbar viel zu
leise, um in dem Lärm, den Lupe und Bengo machten, überhaupt wahrgenommen zu
werden.
    Sie war nicht die einzige, der das
Stillsitzen zuviel geworden war. Langsam und lautlos löste sich eine der
Plastiken von dem riesigen Rauchabzug und kletterte nach unten. Cousin Brooks
hatte einmal behauptet, er könne sich auf einen halben Meter Entfernung an eine
Einsiedlerdrossel, den scheuesten aller Vögel, heranschleichen, ohne daß sie
auch nur mit einer Schwanzfeder zuckte. Jetzt glaubte sie ihm. Wenn er in
Aktion trat, würde sie es ihm gleichtun.
    Dankbar für ihre dunkle Kleidung, die
alten Turnschuhe und die schwärzliche Staubschicht, die sich bei dem Ausflug
auf der Kohlenrutsche an ihr festgesetzt hatte, glitt sie in den Tizian-Saal.
Brooks drehte weder den Kopf, noch zeigte er irgendein Zeichen von
Überraschung, doch er griff nach ihrem Ellbogen und lenkte sie in den Schatten
des riesigen offenen Kamins. Jetzt konnte sie die ganze Szenerie sozusagen von
einem Logenplatz aus überblicken.
    Der Tizian-Saal wurde gerade in ein
Fotostudio verwandelt. Die birnenartigen Objekte waren in Wirklichkeit Spotlampen
auf Metallstativen und standen jetzt im Halbkreis vor Tizians riesigem Bild mit
der Schändung Lucretias. Eine Profi-Kamera, die offenbar in dem großen Koffer
gesteckt hatte, befand sich vor dem Bild. Momentan war Lupes Kopf unter einer
schwarzen Kapuze verschwunden, und Bengo strahlte mit dem gedämpften Licht
seiner Taschenlampe die Leinwand an.
    Jetzt kam Lupes Kopf unter dem Tuch zum
Vorschein. »In Ordnung, Mann, scharf genug. Kapierste jetzt endlich, warum wir
all das Zeug aus dem Fotogeschäft geklaut haben?«
    »Mensch, du hast so viel Hirn, daß es
schon weh tut«,

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