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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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um Geld ist von allen Stürmen, die über die Liebe hinwegfegen, der kälteste und der verheerendste.
    Sie starrte ihn eine Weile an.
    »Du hast sie nicht!«
    Sie wiederholte mehrmals:
    »Du hast sie nicht! … Diese letzte Schmach hätte ich mir ersparen können. Du hast mich nie geliebt! du bist um keinen Deut besser als die andern!«
    Sie verriet sich, sie vernichtete sich.
    Rodolphe unterbrach sie, behauptete, er sei gerade selbst »in Verlegenheit«.
    »Ah! wie du mir leid tust!« sagte Emma. »Ja, furchtbar leid! …«
    Da blieben ihre Augen bei einer damaszierten Büchse hängen, die in der Waffensammlung glänzte:
    »Aber wenn man so arm ist, steckt man kein Geld in den Kolben seines Gewehrs! Man kauft sich keine Pendüle mit Schildpattintarsien!« fuhr sie fort, auf die Uhr von Boulle zeigend; »auch keine Pfeifen aus Vermeil für die Peitschen« – sie langte danach! – »keine Berlocken für die Taschenuhr! Oh! ihm fehlt es an nichts! Sogar ein Likörschränkchen hat er in seinem Zimmer; denn du liebst dich, du lebst gut, du hast ein Schloss, Gehöfte, Wälder; du veranstaltest Treibjagden, du fährst nach Paris … Ha! selbst wenn es nur das hier wäre«, rief sie und griff nach seinen Manschettenknöpfen auf dem Kamin, »nur die winzigste dieser Lächerlichkeiten! man kann sie zu Geld machen! … Oh! ich will sie nicht! behalte sie!«
    Und sie warf die beiden Knöpfe weit von sich, deren Goldkettchen riss, als sie gegen die Wand schlugen.
    »Aber ich, ich hätte dir alles gegeben, ich hätte alles verkauft, ich hätte mit meinen Händen gearbeitet, ich hätte auf den Straßen gebettelt, für ein Lächeln, für einen Blick, für ein ›Danke!‹ von dir. Und du hockst seelenruhig auf deinem Sessel, als hättest du mir nicht schon genug Leid angetan? Ohne dich, weißt du’s wohl, hätte ich glücklich leben können! Was hat dich nur dazu getrieben? Eine Wette? Du hast mich doch geliebt, hast es gesagt … Sogar eben noch … Ach! hättest du mich lieber fortgejagt! Meine Hände sind heiß von deinen Küssen, und da ist die Stelle, auf dem Teppich, wo du mir zu Füßen ewige Liebe geschworen hast. Ich hab’s dir geglaubt: zwei Jahre lang hast du mich eingesponnen in den herrlichsten und süßesten Traum! … Hm! unsere Reisepläne, erinnerst du dich? Oh! dein Brief, dein Brief! er hat mir das Herz zerrissen! … Und dann, als ich wieder zu ihm komme, zu ihm, der reich ist, glücklich, frei! eine Hilfe erbitte, die der erstbeste gewähren würde, flehe und ihm wieder meine ganze Zuneigung bringe, stößt er mich zurück, denn es kostet ihn dreitausend Franc!«
    »Ich habe sie nicht!« entgegnete Rodolphe mit jener unerschütterlichen Ruhe, hinter der sich resignierter Zorn verbirgt wie hinter einem Schild.
    Sie ging. Die Wände schwankten, die Decke stürzte herab; und noch einmal kam sie durch die lange Allee, stolperte über die Haufen trockenen Laubs, das der Wind auseinandertrieb. Endlich erreichte sie den breiten Graben vor dem Tor; sie brach sich die Fingernägel am Riegel, so fiebrig war sie beim Öffnen. Dann, hundert Schritt weiter, außer Atem, dem Umfallen nah, machte sie halt. Und jetzt wandte sie sich zurück, erblickte noch einmal das gefühllose Schloss, mit dem Park, den Gärten, den drei Höfen und all den Fenstern in der Fassade.
    Sie war ganz verloren vor Benommenheit, spürte sich selbst nur durch das Pochen in ihren Adern, glaubte es entweichen zu hören wie eine dröhnende Musik und die Wiesen erfüllen. Der Boden unter ihren Füßen war nachgiebiger als eine Woge, und die Ackerfurchen schienen ihr riesige braune Wellen, die sich heranwälzten. Alles, was in ihrem Kopf an Erinnerungen war, an Gedanken, entwich mit einemmal, schlagartig, wie tausend Feuerwerkskörper. Sie sah ihren Vater, Lheureux’ Büro, ihrer beider Zimmer dort, eine andere Landschaft. Der Irrsinn griff nach ihr, sie bekam Angst, es gelang ihr, sich wieder zu fassen, freilich auf wirre Art; denn sie wusste den Grund für ihren entsetzlichen Zustand nicht mehr, das heißt, die Geldfrage. Sie litt nur an ihrer Liebe und spürte, wie ihre Seele sie verließ durch diese Erinnerung, gleich Verletzten, die im Todeskampf spüren, wie das Leben entschwindet durch ihre blutende Wunde.
    Die Nacht dunkelte, Krähen schwirrten.
    Ihr war plötzlich, als zerplatzten feuerfarbene Kügelchen in der Luft wie explodierende Geschosse, verflachten sich und wirbelten, wirbelten, um schließlich auf dem Schnee zu vergehen, zwischen

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