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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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beiden Daumen waren nach innen zur Handfläche gekrümmt; eine Art weißer Staub lag auf ihren Wimpern, und die Augen verschwanden allmählich in einer schleimigen Blässe, die einem feinen Netz glich, als hätten Spinnen ihre Fäden gezogen. Das Laken war eingesunken von ihren Brüsten bis zu ihren Knien und hob sich dann wieder bei den Zehenspitzen; Charles war es, als lasteten ungeheure Massen auf ihr, ein riesiges Gewicht.
    Vom Kirchturm schlug es zwei. Man hörte das drohende Gemurmel des Flusses, der im Finstern dahinströmte, am Fuß der Terrasse. Monsieur Bournisien schneuzte sich hin und wieder geräuschvoll, und Homais’ Feder kratzte übers Papier.
    »Auf, mein guter Freund«, sagte er, »gehen Sie schlafen, der Anblick zerreißt Ihnen das Herz!«
    Sowie Charles draußen war, begann der Disput zwischen Apotheker und Pfarrer von neuem.
    »Lesen Sie Voltaire!« sagte der eine; »lesen Sie d’Holbach, lesen Sie die Enzyklopädie !«
    »Lesen Sie die Briefe einiger portugiesischer Juden !« sagte der andere; »lesen Sie die Rechtfertigung des Christentums von Nicolas, einem ehemaligen Richter!«
    Sie gerieten in Eifer, sie hatten rote Köpfe, sie redeten gleichzeitig, ohne etwas hören zu wollen; Bournisien war empört über so viel Frechheit; Homais war verblüfft über so viel Dummheit; und fast hätten sie einander beschimpft, als Charles plötzlich wieder auftauchte. Er wurde angezogen wie durch einen Bann. Ständig kam er die Treppe herauf.
    Er stand ihr gegenüber, um sie besser zu sehen, und er versank in diese Betrachtung, die dank ihrer Tiefe nicht länger schmerzte.
    Er erinnerte sich an Geschichten von Katalepsie, an die Wunder des Magnetismus; und er sagte sich, wenn er seinen Willen ganz fest anstrengte, konnte er sie ja vielleicht wieder lebendig machen. Einmal beugte er sich sogar über sie und rief leise: »Emma! Emma!« Unter seinem kraftvoll ausgestoßenen Atem flackerten die Kerzenflammen gegen die Wand.
    Bei Tagesanbruch kam die alte Madame Bovary; als Charles sie umarmte, floss wieder ein Tränenstrom. Sie versuchte, wie es der Apotheker getan hatte, ihn wegen der Beerdigungskosten zu ermahnen. Er wurde so zornig, dass sie verstummte, und er gab ihr sogar den Auftrag, unverzüglich in die Stadt zu fahren und alles Nötige zu kaufen.
    Charles blieb den ganzen Nachmittag allein: Berthe hatte man zu Madame Homais gebracht; Félicité war oben im Zimmer, mit Mutter Lefrançois.
    Am Abend empfing er Besuch. Er stand auf, schüttelte Hände, ohne ein Wort herauszubringen, dann setzte man sich zu den anderen, in einem großen Halbkreis vor dem Kamin. Den Kopf gesenkt und die Knie übereinandergelegt, wippten sie mit dem Bein und ließen von Zeit zu Zeit einen tiefer Seufzer vernehmen; und ein jeder langweilte sich maßlos; dennoch wollte keiner fortgehen.
    Als Homais um neun wiederkam (man sah nur noch ihn auf dem Platz, seit zwei Tagen), war er bepackt mit großen Mengen von Kampfer, Benzoe und aromatischen Kräutern. Außerdem brachte er ein Glas Chlor, um die Miasmen zu verjagen. In diesem Augenblick kümmerten sich gerade das Dienstmädchen, Madame Lefrançois und Mutter Bovary um Emma und waren dabei, sie fertig anzukleiden; sie zogen den langen steifen Schleier herab, der sie zudeckte bis an die Atlasschuhe.
    Félicité schluchzte:
    »Oh! meine arme Herrin! meine arme Herrin!«
    »Schaut nur«, sagte seufzend die Wirtin, »wie hübsch sie noch ist! Man könnte schwören, dass sie gleich wieder aufsteht.«
    Dann beugten sie sich hinunter, um ihr den Kranz aufzusetzen.
    Sie mussten den Kopf ein wenig anheben, und da schoss ihr ein Schwall schwarzer Flüssigkeit, wie Erbrochenes, aus dem Mund.
    »Oh! mein Gott! das Kleid, Vorsicht!« rief Madame Lefrançois. »Helfen Sie uns doch«, sagte sie zum Apotheker. »Oder haben Sie vielleicht Angst?«
    »Ich, Angst?« entgegnete er schulterzuckend. »Das wäre ja noch schöner! Ich habe Schlimmeres gesehen im Hôtel-Dieu, als ich Pharmazeutik studierte! Wir haben Punsch im Seziersaal zubereitet! Das Nichts schreckt einen Philosophen nicht, und ich habe sogar die Absicht, das sage ich oft, meinen Körper dem Krankenhaus zu vermachen, damit ich später der Wissenschaft diene.«
    Bei seinem Eintreffen fragte der Pfarrer, wie es Monsieur gehe; und auf die Antwort des Pharmazeuten erwiderte er:
    »Der Schlag, verstehen Sie, ist noch zu frisch!«
    Da beglückwünschte ihn Homais, dass er nicht wie jeder andere Gefahr laufe, eine geliebte Gefährtin zu

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