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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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alles zu Ende war, dass man sie unter die Erde schaffte, übermannte ihn blinde, unbändige, verzweifelte Wut. Manchmal glaubte er, nichts mehr zu spüren; und er genoss diese Besänftigung seines Schmerzes, schimpfte sich aber zugleich einen elenden Schuft.
    Man hörte auf den Steinplatten etwas wie das harte Klopfen eines eisenbeschlagenen Knüppels, der in regelmäßigem Takt aufschlug. Es kam von ganz hinten und verstummte im Seitenschiff der Kirche. Ein Mann in grober brauner Jacke kniete mühsam nieder. Es war Hippolyte, der Bursche vom Lion d’or . Er trug sein neues Bein.
    Einer der Vorsänger ging durch das Mittelschiff für die Kollekte, und nacheinander klingelten die Gros Sous auf dem silbernen Teller.
    »Machen Sie schneller! Ich kann nicht mehr!« rief Bovary, zornig ein Fünf-Franc-Stück hinwerfend.
    Der Kirchenmann dankte mit einer langen Verbeugung.
    Man sang, man kniete nieder, man erhob sich, es nahm kein Ende! Ihm kam in den Sinn, dass sie einmal, während der ersten Zeit, gemeinsam zur Messe gegangen waren, und sie hatten sich auf die andere Seite gesetzt, rechts, an der Mauer. Die Glocke läutete wieder. Laut wurden Stühle gerückt. Die Träger schoben ihre drei Stangen unter den Sarg, und man verließ die Kirche.
    Justin erschien im Eingang der Apotheke. Er machte rasch wieder kehrt, bleich, taumelnd.
    Leute standen an den Fenstern, beobachteten den Leichenzug. Charles, vorneweg, straffte den Rücken. Er trug eine tapfere Miene zur Schau und grüßte mit einem Nicken all jene, die aus den Gassen und Türen kamen, um sich der Menge anzuschließen.
    Die sechs Männer, drei auf jeder Seite, marschierten langsam im Gleichschritt und keuchten ein wenig. Die Priester, die Vorsänger und die beiden Chorknaben beteten das De profundis ; und ihre Stimmen wehten über das Land, an- und abschwellend in sanften Wogen. Manchmal verbarg sie der gewundene Pfad; aber das große silberne Kreuz ragte immer hervor zwischen den Bäumen.
    Die Frauen folgten, in schwarzen Umhängen mit hochgezogener Kapuze; sie hielten eine dicke brennende Kerze in der Hand, und Charles fühlte, wie ihm die Sinne schwanden bei dieser ständigen Wiederholung von Gebeten und Lichtern, im süßlichen Nebel von Wachs und Soutanen. Ein frischer Wind blies, Roggen und Raps grünten, Tautropfen zitterten am Wegrand, auf Dornenhecken. Allerlei fröhliche Klänge erfüllten den Horizont: das Klappern eines Karrens, der fernab im Geleise dahinfuhr, das Krähen eines Hahns, das sich wiederholte, oder das Getrappel eines Fohlens, das man unter Apfelbäumen fortgaloppieren sah. Der klare Himmel war gefleckt mit rosafarbenen Wolken; bläuliche Rauchschwaden sanken auf die von Iris umstandenen Häuschen; Charles erkannte im Vorübergehen jeden einzelnen Hof. Er erinnerte sich an manchen Morgen wie diesen, wenn er nach dem Besuch bei einem Kranken hinaustrat und wieder heimkehrte zu ihr.
    Das schwarze Tuch, übersät mit weißen Tränen, hob sich von Zeit zu Zeit und enthüllte den Sarg. Die erschöpften Träger wurden langsamer, und die Kiste bewegte sich ruckweise voran wie eine Schaluppe, die auf und nieder stampft bei jeder Welle.
    Man war am Ziel.
    Die Männer schritten weiter bis hinunter zu einer Stelle im Gras, wo die Grube ausgehoben war.
    Man stellte sich ringsum; und während der Priester sprach, rieselte die am Rand aufgeworfene rote Erde in den Ecken hinunter, geräuschlos, unaufhaltsam.
    Dann, als die vier Seile zurechtgelegt waren, schob man die Kiste darauf. Er sah sie hinabgleiten. Sie glitt immer tiefer.
    Endlich hörte man ein Rumpeln; die Seile kamen knarrend wieder hoch. Nun ergriff Monsieur Bournisien den Spaten, den ihm Lestiboudois reichte; mit der linken Hand, während er mit der rechten zugleich Wasser sprengte, schleuderte er kraftvoll eine Schaufel Erde hinab; und das Holz des Sarges, auf den die Steine schlugen, ächzte mit jenem schaurigen Geräusch, das in uns dröhnt als Widerhall der Ewigkeit.
    Der Geistliche übergab den Weihwedel an seinen Nachbarn. Es war Monsieur Homais. Er schüttelte ihn würdevoll, reichte ihn alsdann Charles, der bis zu den Knien in die Erde sackte und diese, »Adieu!« rufend, mit beiden Händen hinunterwarf. Er sandte ihr Küsse; er kroch bis zur Grube, um mit ihr zu versinken.
    Man brachte ihn weg; und er beruhigte sich bald, denn vielleicht empfand er, wie alle anderen auch, die vage Zufriedenheit, dass es überstanden war.
    Vater Rouault rauchte auf dem Heimweg seelenruhig Pfeife;

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