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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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verlieren; daraus entwickelte sich ein Disput über den Zölibat der Priester.
    »Denn«, sagte der Apotheker, »es ist nicht natürlich, dass ein Mann ohne Frauen auskommt! Man hat Verbrechen gesehen …«
    »Sapperment aber auch!« rief der Geistliche, »wie soll ein in der Ehe gefangener Mensch zum Beispiel das Beichtgeheimnis wahren?«
    Homais attackierte die Beichte. Bournisien verteidigte sie; er schwärmte von Wiedergutmachungen, zu denen sie führe. Er gab verschiedene Anekdoten über plötzlich ehrbar gewordene Diebe zum besten. Soldaten war es vor dem Beichtstuhl wie Schuppen von den Augen gefallen. In Freiburg gab es einen Minister …
    Sein Gefährte schlief. Da ihm die stickige Zimmerluft ein wenig das Atmen erschwerte, öffnete er das Fenster, was den Apotheker weckte.
    »Hier, eine Prise!« sagte er. »Nehmen Sie, das zerstreut.«
    Anhaltendes Gebell tönte irgendwo in der Ferne.
    »Hören Sie den Hund heulen?« sagte der Apotheker.
    »Es heißt, sie wittern die Toten«, antwortete der Geistliche. »Das ist wie bei den Bienen: die schwärmen aus ihrem Stock, wenn ein Mensch stirbt.« Homais wandte nichts ein gegen dieses Vorurteil, denn er schlief schon wieder.
    Der robustere Monsieur Bournisien bewegte noch eine Weile leis die Lippen; dann sackte das Kinn allmählich hinab, er ließ sein dickes schwarzes Buch fahren und begann zu schnarchen.
    Sie saßen einander gegenüber, den Bauch gewölbt, das Gesicht verquollen, die Miene griesgrämig, nach so viel Zwist endlich vereint in gleicher menschlicher Schwäche; und sie rührten sich um kein bisschen mehr als die Leiche neben ihnen, die aussah, als ob sie schliefe.
    Charles, der hereinkam, weckte sie nicht. Es war das letzte Mal. Er wollte Abschied nehmen.
    Die aromatischen Kräuter rauchten noch, und bläuliche Dunstwirbel vermischten sich am Fensterrand mit hereindringendem Nebel. Ein paar Sterne glitzerten, und die Nacht war lau.
    Von den Kerzen tropfte Wachs in dicken Tränen auf die Bettlaken. Charles schaute zu, wie sie brannten, ermüdete seine Augen am Glanz ihrer gelben Flamme.
    Wasserlinien schillerten auf dem Satinkleid, weiß wie Mondenschein. Emma verschwand darunter; und ihm war, als ströme sie aus sich heraus, verliere sich unmerklich in Dinge ringsum, in die Stille, in die Nacht, in den Wind, der vorüberstrich, in die feuchten Wohlgerüche, die emporstiegen.
    Dann sah er sie plötzlich im Garten von Tostes, auf der Bank vor der Dornenhecke, oder in den Straßen Rouens, auf der Schwelle ihres gemeinsamen Hauses, im Hof von Les Bertaux. Er hörte noch das Lachen der lustigen Burschen, die unter den Apfelbäumen tanzten; das Zimmer war erfüllt vom Duft ihres Haars, und ihr Kleid knisterte in seinem Arm wie sprühende Funken. Es war dasselbe Kleid, dieses hier!
    Lange dachte er an all die entschwundenen Seligkeiten, an ihre Posen, ihre Gebärden, den Klang ihrer Stimme. Nach einer Verzweiflung kam die nächste, und immer so weiter, unerschöpflich, wie die Wellen einer alles überschwemmenden Flut.
    Ihn packte furchtbare Neugier: langsam, mit Fingerspitzen, bebend, hob er den Schleier. Doch ihm entfuhr ein Schreckensschrei, der die beiden anderen weckte. Sie zogen ihn hinunter, in die Stube.
    Dann kam Félicité und sagte, er wolle Haare.
    »Schneiden sie welche ab!« erwiderte der Apotheker.
    Und da ihr der Mut fehlte, ging er selbst, mit der Schere in der Hand. Er zitterte so stark, dass er an mehreren Stellen in die Schläfe stach. Gegen die Aufregung ankämpfend, machte Homais schließlich auf gut Glück zwei oder drei beherzte Schnitte, und so entstanden weiße Male in dem schönen schwarzen Haar.
    Apotheker und Pfarrer vertieften sich wieder in ihre Geschäfte, nicht ohne bisweilen zu schlafen, was sie sich bei jedem Erwachen gegenseitig vorwarfen. Dann besprengte Monsieur Bournisien das Zimmer mit Weihwasser, und Homais streute etwas Chlor auf den Boden.
    Félicité hatte ihnen auf der Kommode fürsorglich eine Flasche Branntwein, einen Käse und eine große Brioche bereitgelegt. Darum seufzte der Pharmazeut, am Ende seiner Kräfte, gegen vier Uhr früh:
    »Meiner Seel, ich würde mich gern restaurieren!«
    Der Geistliche ließ sich nicht lange bitten; er ging, um seine Messe zu lesen, kam wieder; hernach aßen sie und tranken, alberten auch ein bisschen, ohne recht zu wissen warum, angesteckt von jenem unbestimmten Frohsinn, der einen erfasst nach stundenlanger Traurigkeit; und beim letzten Gläschen sagte der Priester

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