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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Ausdruck von Heiterkeit, als habe das Sakrament sie geheilt.
    Der Priester versäumte nicht, darauf hinzuweisen; er setzte Bovary sogar auseinander, manchmal verlängere der Herr das Leben der Menschen, wenn es ihm angemessen schien für ihr Seelenheil; und Charles erinnerte sich an einen Tag, da sie, dem Tode nah, die Kommunion empfangen hatte.
    »Vielleicht hätte ich nicht gleich verzweifeln sollen«, dachte er.
    Tatsächlich blickte sie um sich, langsam, wie jemand, der aus einem Traum erwacht; dann verlangte sie mit klarer Stimme nach ihrem Spiegel, und sie blieb eine Weile darüber gebeugt, bis ihr dicke Tränen aus den Augen rannen. Dann neigte sie den Kopf aufseufzend nach hinten und fiel ins Kissen.
    Sogleich hob und senkte sich ihre Brust in raschen Stößen. Die ganze Zunge schoss ihr aus dem Mund; die hin und her rollenden Augen verblassten wie zwei Lampenkugeln, die erlöschen, und man hätte sie schon für tot gehalten, ohne das schreckliche Rasen in ihren Seiten, die geschüttelt wurden von wildem Gekeuch, als vollführte die Seele Sprünge, um sich loszureißen. Félicité kniete vor dem Kruzifix, und sogar der Apotheker ging ein wenig in die Hocke, während Monsieur Canivet irgendwo auf den Platz hinausschaute. Bournisien betete wieder, das Gesicht über die Bettkante gebeugt, und seine lange schwarze Soutane schleifte hinter ihm weit in den Raum. Charles kniete auf der anderen Seite, die Arme ausgestreckt nach Emma. Er hatte ihre Hände genommen, und er drückte sie, bei jedem Schlag ihres Herzens zusammenzuckend, wie unter der Erschütterung einer einstürzenden Ruine. Je lauter das Röcheln wurde, desto schneller sprach der Geistliche sein Gebet; es mischte sich unter die erstickten Schluchzer Bovarys, und manchmal schien alles unterzugehen im dumpfen Murmeln der lateinischen Silben, die klangen wie Totengeläut.
    Plötzlich hörte man auf dem Trottoir das Schlurfen derber Holzpantinen und das Scharren eines Stocks; dann erhob sich eine Stimme, eine heisere Stimme, die sang:

    Wenn erst die heißen Tage kommen,
    träumt manche Maid von Liebeswonnen.

    Emma fuhr hoch wie eine Leiche, die man galvanisiert, mit wirrem Haar, die Augen starr, der Mund weit aufgerissen.

    Zu sammeln emsig und munter,
    was die Sense schneidet an Ähren,
    bückt meine Nanette sich runter
    zur Furche, die sie gewähren.

    »Der Blinde!« schrie sie.
    Und Emma begann zu lachen, ein schauriges, irres, verzweifeltes Lachen, denn sie glaubte das scheußliche Gesicht des Bettelmanns zu erblicken, bedrohlich aufgerichtet in der ewigen Finsternis wie ein Schreckensbild.

    Es pfiff der Zephyr geschwinde
    und lüpfte das Röcklein dem Kinde!

    Ein Krampf warf sie auf die Matratze. Alle traten heran. Sie lebte nicht mehr.

    Anmerkungen

IX.

    Stets zeigt sich nach dem Tod eines Menschen etwas wie fassungsloses Staunen, so schwer ist es, das Einbrechen des Nichts zu begreifen und sich mit ihm abzufinden. Als er zuletzt doch ihre Reglosigkeit gewahrte, stürzte sich Charles auf sie und schrie:
    »Leb wohl! Leb wohl!«
    Homais und Canivet zogen ihn aus dem Zimmer.
    »Mäßigen Sie sich!«
    »Ja«, sagte er, sich loswindend, »ich werde vernünftig sein, ich tue nichts Schlimmes. Aber lassen Sie mich! ich will sie sehen! sie ist meine Frau!«
    Und er weinte.
    »Weinen Sie«, riet nun der Apotheker, »geben Sie der Natur freien Lauf, das wird Sie erleichtern.«
    Schwächer geworden als ein Kind, ließ Charles sich hinunterführen in die Stube, und Monsieur Homais ging bald nach Hause.
    Auf dem Platz wurde er vom Blinden angesprochen, der sich bis nach Yonville geschleppt hatte, in der Hoffnung auf die entzündungshemmende Salbe, und jeden Vorüberkommenden fragte, wo der Apotheker wohne.
    »Zum Kuckuck! ich hab wahrlich andere Gäule aufzuzäumen! Nichts zu machen! versuch’s später nochmal!«
    Und er stürmte in die Apotheke.
    Er musste zwei Briefe schreiben, einen Beruhigungstrank für Bovary brauen, eine Lüge erfinden, um die Vergiftung zu kaschieren, und sie dann in einen Artikel für den Fanal verpacken, ganz zu schweigen von den Leuten, die auf ihn warteten, um Näheres zu erfahren; und als die Bewohner von Yonville allesamt seine Geschichte gehört hatten, dass sie nämlich aus Versehen bei der Zubereitung einer Vanillecrème statt Zucker Arsen hineingetan hatte, ging Homais wieder zu Bovary.
    Er traf ihn allein (Monsieur Canivet war soeben abgefahren), im Armstuhl beim Fenster sitzend und mit blödem Blick auf die

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