Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
schulterklopfend zum Apotheker:
»Am Ende werden wir uns noch vertragen!«
Unten im Vorraum begegneten sie den Arbeitern, die gerade ankamen. Charles musste nun zwei volle Stunden den Hammer erleiden, der auf die Bretter schlug. Dann brachte man sie herunter in ihrem Eichensarg, der in die beiden anderen gesenkt wurde; diese aber waren zu groß, und so verstopfte man die Zwischenräume mit Wolle aus einer Matratze. Als schließlich die drei Deckel glattgehobelt, zugenagelt, verlötet waren, stellte man sie vor die Tür; man öffnete das Haus sperrangelweit, und die Bewohner von Yonville strömten herbei.
Vater Rouault kam. Er wurde ohnmächtig auf dem Platz, beim Anblick des schwarzen Tuchs.
Anmerkungen
X.
Er hatte den Brief des Apothekers erst sechsunddreißig Stunden nach dem Ereignis empfangen; und aus Rücksicht auf seine Gefühle hatte Monsieur Homais ihn so abgefasst, dass man nicht recht schlau daraus wurde.
Der gute Mann fiel zunächst um wie vom Schlag gerührt. Sodann verstand er, dass sie nicht tot war. Vielleicht aber doch … Am Ende hatte er seinen Kittel übergezogen, seinen Hut genommen, einen Sporn an seinen Schuh geschnallt und war losgeritten in gestrecktem Galopp; und auf dem ganzen Weg verzehrte sich Vater Rouault atemringend vor Angst. Einmal musste er absteigen. Er sah nichts mehr, er hörte Stimmen rundherum, ihm war, er werde verrückt.
Der Tag graute. Er sah drei schwarze Hühner auf einem Baum schlafen; ihn schauderte voll Entsetzen über dieses Omen. Da versprach er der Heiligen Jungfrau drei Messgewänder für die Kirche, und dass er barfuß vom Friedhof in Les Bertaux bis zur Kapelle von Vassonville gehen werde.
Als er in Maromme eintraf, rief er laut nach den Wirtsleuten, rannte mit der Schulter gegen die Tür, stürzte sich auf den Hafersack, goss eine Flasche süßen Cidre in die Futterkrippe und schwang sich wieder auf den Gaul, der galoppierte, dass die Funken stoben.
Er sagte sich, bestimmt werde man sie retten; die Ärzte würden ein Mittel finden, das war gewiss. Er rief sich alle wundersamen Heilungen ins Gedächtnis, von denen man ihm erzählt hatte.
Dann erschien sie ihm als Tote. Sie lag da, vor ihm, rücklings hingestreckt, mitten auf der Landstraße. Er riss am Zügel, die Halluzination verschwand.
In Quincampoix trank er, um sich aufzuputschen, drei Kaffee hintereinander.
Er dachte, vielleicht habe man sich beim Schreiben im Namen geirrt. Er suchte in seiner Tasche den Brief, spürte ihn, hatte keinen Mut, ihn zu öffnen.
Er argwöhnte gar zuletzt, es könne womöglich ein Schabernack sein, die Rache von irgendwem, der Einfall eines Beschwipsten; und außerdem, wäre sie tot, dann wüsste man’s doch? Nein und noch einmal nein! die Landschaft hatte nichts Außergewöhnliches: der Himmel war blau, die Bäume flirrten; eine Schafherde kreuzte. Er gewahrte das Dorf; man sah ihn heransprengen, tief über sein Pferd gebeugt, auf das er wild eindrosch und von dessen Sattelgurt Blut tropfte.
Als er wieder zu sich gekommen war, sank er Bovary tränenüberströmt in die Arme:
»Meine Tochter! Emma! mein Kind! erklären Sie mir …?«
Und der andere erwiderte schluchzend:
»Ich weiß nicht, ich weiß nicht! es ist ein Fluch!«
Der Pharmazeut trennte sie.
»Diese grässlichen Einzelheiten sind überflüssig. Ich werde Monsieur von allem in Kenntnis setzen. Da kommen schon die Leute. Etwas Würde, zum Donnerwetter! etwas Philosophie!«
Der arme Junge wollte sich stark zeigen, und so wiederholte er mehrmals:
»Ja …, Mut!«
»Nur zu«, rief der gute Mann, »mir wird’s daran nicht fehlen, Himmelherrgott nochmal! Ich geh mit ihr bis ans Ende.«
Die Glocke läutete. Alles war bereit. Jetzt hieß es aufbrechen.
Und im Chorgestühl sitzend, einer neben dem andern, sahen sie immerfort die drei Vorsänger hin und her laufen und psalmodieren. Der Serpentist blies aus Leibeskräften. Monsieur Bournisien, in vollem Staat, sang mit hoher Stimme; er verneigte sich vor dem Tabernakel, hob die Hände, öffnete die Arme. Lestiboudois wanderte mit seinem Fischbeinstab durch die Kirche; neben dem Chorpult stand der Sarg zwischen vier Kerzenreihen. Charles wäre am liebsten aufgestanden und hätte sie gelöscht.
Dennoch versuchte er seine Frömmigkeit anzustacheln, sich der Hoffnung hinzugeben auf ein zukünftiges Leben, in dem er sie wiedersah. Er stellte sich vor, sie wäre auf Reisen, weit weg, seit langer Zeit. Doch wenn er dachte, dass sie dort drunten lag und dass
Weitere Kostenlose Bücher