Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
lasziveres Gemälde gesehen? Hören Sie weiter:
»Nie war Madame Bovary schöner gewesen als in dieser Zeit; sie besaß jene rätselhafte Schönheit, die hervorgeht aus Freude, Begeisterung, Erfolg und nichts anderes ist als Einklang des Charakters mit den Verhältnissen. Ihre Begierden, ihr Leid, das Erleben von Lust und ihre immer noch jugendlichen Illusionen hatten, ganz so wie Mist, Regen, Wind und Sonne bei den Blumen, sie schrittweise weiterentwickelt, und endlich erstrahlte sie in der vollen Blüte ihres Wesens. Ihre Lider schienen eigens geformt für die langen verliebten Blicke, bei denen sich das Auge verschleierte, während ein kräftiger Atem ihre zarten Nüstern blähte und die fleischigen Winkel ihrer Lippen hochzog, die bei hellem Licht überschattet waren von dunklem Flaum. Man hätte glauben können, ein in Verderbnis bewanderter Künstler habe ihr den lockigen Chignon im Nacken arrangiert. Das Haar war zu einer schweren Masse verschlungen, nachlässig und den Launen des Ehebruchs unterworfen, der es tagtäglich löste. Ihre Stimme wurde jetzt weich und geschmeidig, ihre Figur ebenfalls; etwas Schmeichelndes, das einen durchdrang, entströmte sogar den Falten ihres Kleides und der Wölbung ihres Fußes. Charles, wie in der ersten Zeit seiner Ehe, fand sie hinreißend und ganz unwiderstehlich.«
Bisher hatte die Schönheit dieser Frau in ihrer Anmut bestanden, in ihrer Gestalt, in ihren Kleidern; endlich wird sie Ihnen ohne Schleier gezeigt, und Sie können sagen, ob der Ehebruch sie nicht schöner gemacht hat:
»›Bring mich fort!‹ rief sie. ›Entführe mich! … Oh! ich flehe dich an!‹
Und sie stürzte sich auf seinen Mund, wie um die unverhoffte Einwilligung zu erhaschen, die ihm mit einem Kuss entschlüpfte.«
Das ist ein Porträt, meine Herren, wie Monsieur Flaubert sie zu machen versteht. Wie sich die Augen dieser Frau weiten! Wie etwas Verzauberndes über sie gebreitet wird, seit ihrem Fehltritt! Ist ihre Schönheit je strahlender gewesen als am Tag nach ihrem Fehltritt, als in den Tagen, die ihrem Fehltritt folgten? Was der Autor Ihnen zeigt, das ist die Poesie des Ehebruchs, und ich frage Sie noch einmal, ob diese lasziven Seiten nicht von tiefer Unmoral sind!!!
Ich komme zum zweiten Zitat. Das zweite Zitat ist ein religöses Zwischenspiel. Madame Bovary war sehr krank gewesen, dem Grab ganz nahe. Sie kehrt ins Leben zurück, ihre Genesung wird durch ein kleines religöses Zwischenspiel gezeigt.
»Monsieur Bournisien (das war der Pfarrer) pflegte sie zu besuchen. Er fragte nach ihrem Befinden, brachte Neuigkeiten und mahnte sie zur Frömmigkeit bei diesem einschmeichelnden kleinen Schwatz, der nicht unerfreulich war. Schon allein der Anblick seiner Soutane erquickte sie.«
Schließlich empfängt sie die Kommunion. Ich begegne nicht gern heiligen Dingen in einem Roman, wenn man aber schon davon spricht, müsste man sie dann nicht wenigstens durch die Sprache verhüllen? Steckt in dieser Ehebrecherin, die zur Kommunion geht, etwas vom Glauben der reuigen Magdalena? Nein, nein, sie ist immer die leidenschaftliche Frau, die nach Illusionen sucht und sie in den heiligsten, den erhabensten Dingen sucht.
»Eines Tages, auf dem Höhepunkt ihrer Krankheit, hatte sie sich im Sterben gewähnt und nach der Kommunion verlangt; und während man in ihrem Zimmer Vorbereitungen traf für das Sakrament, die mit Säften überladene Kommode zum Altar arrangierte und Félicité Dahlienblüten auf den Boden streute, spürte Emma, wie etwas Starkes über sie kam, das sie von ihren Schmerzen befreite, von jeder Wahrnehmung, jedem Gefühl. Ihr leicht gewordener Körper war keine Last mehr, ein anderes Leben begann; sie meinte, ihr zu Gott emporsteigendes Wesen müsse in dieser Liebe vergehen wie glimmender Weihrauch, der sich auflöst in Dunst.«
In welcher Sprache betet man zu Gott mit den Worten, die man in den Herzensergießungen des Ehebruchs an den Geliebten richtet? Wahrscheinlich wird man vom Lokalkolorit sprechen und sich entschuldigen, indem man sagt, dass eine launenhafte, schwärmerische Frau eben nicht, selbst in der Religion, so handelt wie alle Welt. Es gibt kein Lokalkolorit, das diese Vermischung entschuldigt! Lüstern an einem Tag, religiös am nächsten, keine Frau, auch nicht in anderen Regionen, auch nicht unterm Himmel Spaniens oder Italiens, flüstert Gott die ehebrecherischen Zärtlichkeiten zu, die sie dem Geliebten schenkte. Sie werden diese Sprache zu würdigen wissen, meine
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