Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
vierte schließlich, die ich zitieren will, ist der Tod von Madame Bovary.
Bevor ich diese vier Ecken des Gemäldes lüfte, gestatten Sie, dass ich mich frage, welche Farbe, welchen Pinselstrich Monsieur Flaubert gebraucht, denn sein Roman ist schließlich ein Gemälde, und man muss wissen, welcher Schule er angehört, welche Farbe er verwendet und welches Porträt seiner Heldin er zeichnet.
Die Grundfarbe des Autors, gestatten Sie, dass ich Ihnen das sage, ist die laszive Farbe, vor, während und nach diesen Fehltritten! Sie ist ein Kind, sie ist zehn oder zwölf Jahre alt, sie ist in der Klosterschule der Ursulinen. In diesem Alter, in dem das Mädchen nicht voll entwickelt ist, in dem die Frau diese ursprünglichen Gefühle, die ihr eine neue Welt offenbaren, nicht empfinden kann, da beichtet sie.
»Wenn sie zur Beichte ging (dieses erste Zitat aus der ersten Folge findet sich auf Seite 30 der Nummer vom 1. Oktober), wenn sie zur Beichte ging, erfand sie kleine Sünden, um länger zu bleiben, im Dunklen kniend, die Hände gefaltet, das Gesicht nahe beim Gitter im Geflüster des Priesters. Bilder wie himmlischer Bräutigam, Gemahl, Geliebter und ewige Vermählung, die in Predigten immer wieder vorkommen, bescherten ihr tief in der Seele unverhoffte Wonnen.«
Ist es natürlich, dass ein kleines Mädchen kleine Sünden erfindet, wenn man weiß, dass für ein Kind die allerkleinsten am schwersten zu sagen sind? Und dann, in diesem Alter, wenn ein kleines Mädchen nicht voll entwickelt ist, es zu zeigen, wie es kleine Sünden erfindet im Dunklen, im Geflüster des Priesters, und sich dabei erinnert an Bilder wie himmlischer Bräutigam, Gemahl, Geliebter und ewige Vermählung, die es etwas wie einen lustvollen Schauder verspüren ließen, heißt das nicht, wie ich es nannte, ein laszives Bild malen?
Wollen Sie Madame Bovary in ihren kleinsten Handlungen, in freiem Zustand, ohne den Liebhaber, ohne die Schuld. Ich übergehe das Wort vom nächsten Tag und die Frischvermählte, die nichts erkennen ließ, was Rückschlüsse erlaubte, das ist bereits eine mehr als zweideutige Wendung, aber wollen Sie wissen, wie der Ehemann war?
Dieser Ehemann vom nächsten Tag, »ihn hätte man viel eher für die Jungfrau vom Vorabend halten können«, und diese Frischvermählte, »die nichts erkennen ließ, was Rückschlüsse erlaubte«. Dieser Ehemann (S. 29), der aufsteht und losreitet, »das Herz erfüllt von den Seligkeiten der Nacht, das Gemüt ruhig, das Fleisch zufrieden«, der dahintrabt, »grübelnd über sein Glück wie einer, der nach dem Essen herumkaut auf dem Geschmack der Trüffel, die er verdaut«.
Es ist mir wichtig, meine Herren, Ihnen den Charakter von Monsieur Flauberts literarischem Werk und seine Pinselstriche genau zu beschreiben. Er macht zuweilen Bemerkungen, die viel sagen wollen, und diese Bemerkungen fallen ihm nicht schwer.
Und dann, auf Schloss La Vaubyessard, wissen Sie, was die Blicke dieser jungen Frau anzieht, was sie am meisten beeindruckt? Es ist immer dasselbe, es ist der Herzog von Laverdière, Liebhaber, »hieß es, der Marie-Antoinette, zwischen den Herren de Coigny und de Lauzun«, und auf ihn »kehrten Emmas Augen ständig von allein zurück, wie zu etwas Außergewöhnlichem und Erlauchtem; er hatte am Hof gelebt und geschlafen im Bett von Königinnen!«
Das ist nur eine historische Parenthese, wird man sagen? Eine traurige und überflüssige Parenthese! Die Geschichte hat vielleicht erlaubt, Vermutungen anzustellen, aber nicht das Recht, aus ihnen Gewissheiten zu machen. Die Geschichte hat in allen möglichen Romanen vom Halsband gesprochen, die Geschichte hat von tausend Dingen gesprochen, aber das sind nichts als Vermutungen, ich wiederhole es, ich wüsste nicht, dass sie erlaubt hat, diese Vermutungen in Gewissheiten zu verwandeln. Und da Marie-Antoinette mit der Würde einer Herrscherin und der Seelenruhe einer Christin gestorben ist, könnte das vergossene Blut die Schuld auslöschen, und mehr noch bloße Vermutungen. Mein Gott, Monsieur Flaubert hat ein schlagkräftiges Bild gebraucht, um seine Heldin zu malen, und er hat das hier genommen, um gleichzeitig sowohl die verdorbenen Triebe als auch den Ehrgeiz von Madame Bovary auszudrücken!
Madame Bovary muss sehr gut Walzer tanzen, und so tanzt sie also:
»Sie begannen langsam, wurden dann schneller und schneller. Sie drehten sich: alles drehte sich um sie herum, die Lampen, die Möbel, die Täfelungen und das Parkett, wie die
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