Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
vor dem Kamin, an einem runden, mit Palisandereinlagen verzierten Tischchen. Emma schnitt Stücke, legte sie ihm auf den Teller und sagte dabei allerhand Schmeicheleien; und sie lachte schallend und zügellos, wenn der Champagnerschaum über den Rand des hauchfeinen Glases auf ihre beringten Finger perlte. Sie waren so vollkommen versunken ins wechselseitige Besitzen, dass sie meinten, in ihrem eigenen Haus zu sein und hier leben zu dürfen bis zum Tod, wie ewig junge Eheleute. Sie sagten unser Zimmer, unser Teppich, unsere Sessel, und sie sagte sogar meine Pantöffelchen, ein Geschenk von Léon, eine Laune, die er ihr erfüllt hatte. Es waren Pantöffelchen aus rosa Atlas, gesäumt mit Schwanenflaum. Wenn er sie auf den Schoß nahm, baumelte ihr zu kurzes Bein in der Luft; und das niedliche Schuhwerk, an der Ferse offen, hing bloß an den Zehen ihres nackten Fußes.
Er genoss zum ersten Mal, noch dazu in der Ausübung der Liebe, das unbeschreibliche Raffinement weiblicher Eleganz. Nie zuvor war ihm diese Anmut der Sprache begegnet, diese Dezenz in der Kleidung, diese Pose eines schlummernden Täubchens. Er bewunderte das Schwärmerische ihrer Seele und die Spitzen ihres Unterrocks. Außerdem, war sie nicht eine Frau von Welt, noch dazu eine verheiratete Frau! also eine richtige Geliebte?«
Das, meine Herren, ist eine Beschreibung, die nichts zu wünschen übriglässt, hoffe ich, unter dem Gesichtspunkt der Anklage? Und hier noch eine andere, oder vielmehr die Fortsetzung derselben Szene:
»Sie sagte ihm Worte, die ihn entflammten, mit Küssen, die seine Seele eroberten. Wo hatte sie nur diese Zärtlichkeiten gelernt, die fast ätherisch waren durch ihre Tiefe und Heimlichkeit?«
Oh! Ich verstehe den Ekel sehr wohl, meine Herren, den ihr dieser Ehemann einflößte, der sie küssen wollte bei ihrer Heimkehr; ich verstehe bestens, dass sie, wenn Rendezvous dieser Art stattfanden, voller Grausen nachts »diesen schlafenden Mann dicht an ihrem Körper liegen« spürte.
Das ist nicht alles, auf Seite 73 gibt es ein letztes Gemälde, das ich nicht unterschlagen darf; sie war beim Überdruss an der Lust angelangt:
»In einem fort erwartete sie von der nächsten Reise tiefe Glückseligkeit; dann musste sie sich eingestehen, dass sie nichts Besonderes fühlte. Aber diese Enttäuschung verblasste rasch vor einer neuen Hoffnung, und Emma fuhr wieder zu ihm, noch feuriger, noch atemloser, noch gieriger. Sie riss sich die Kleider vom Leib, fetzte das dünne Schnürband aus ihrem Mieder, das an den Hüften zischte wie eine schlängelnde Natter. Auf nackten Zehen ging sie noch einmal zur Tür und prüfte, ob der Schlüssel umgedreht war, dann warf sie mit einem Ruck alle Hüllen zu Boden; – und bleich, wortlos, ernst sank sie an seine Brust, durchrieselt von Schauder.«
Ich mache Sie hier auf zwei Dinge aufmerksam, meine Herren, eine bewundernswerte Darstellung, was das Talent betrifft, aber eine verabscheuenswerte Darstellung, was die Moral angeht. Ja, Monsieur Flaubert versteht es, seine Gemälde durch alle Mittel der Kunst zu verschönen, jedoch ohne die Rücksichtnahmen der Kunst. Bei ihm gibt es keine Gaze, keine Schleier, hier sieht man die Natur in ihrer ganzen Nacktheit, in ihrer ganzen Grobheit!
Noch ein Zitat von Seite 78.
»Sie kannten einander zu gut und vermochten nicht länger jenes Staunen zu empfinden, das die Lust des Besitzens verhundertfacht. Sie war seiner so überdrüssig wie er ihrer müde. Emma fand im Ehebruch von neuem alle Schalheit der Ehe.«
Schalheit der Ehe, Poesie des Ehebruchs! Mal ist es die Besudelung durch die Ehe, mal ist es ihre Schalheit, doch immer ist es die Poesie des Ehebruchs. Das, meine Herren, sind die Situationen, die Monsieur Flaubert zu malen liebt, und leider malt er sie nur allzugut.
Ich habe drei Szenen erzählt: die Szene mit Rodolphe, und darin haben Sie den Fehltritt im Wald gesehen, die Verherrlichung des Ehebruchs und diese Frau, deren Schönheit immer größer wird mit dieser Poesie. Ich habe von dem religiösen Zwischenspiel gesprochen, und darin haben Sie gesehen, wie das Gebet seine Sprache aus dem Ehebruch entlehnt. Ich habe vom zweiten Fehltritt gesprochen, ich habe Ihnen die Szenen vorgeführt, die sich mit Léon ereignen. Ich habe Ihnen die Fiakerszene gezeigt – die gestrichene – , aber ich habe Ihnen das Gemälde von Zimmer und Bett gezeigt. Jetzt, da wir unsere Beweise erbracht haben, lassen Sie uns zur letzten Szene kommen, zur
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