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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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mittelmäßig, die Pflichten seines Berufs erfüllend, seine Frau liebend, jedoch bar aller Erziehung, ohne hochfliegende Gedanken. Genauso ist er am Totenbett seiner Frau. Und doch gibt es keinen Menschen, an den man sich mit größerer Anteilnahme erinnert. Warum? Weil er sich bis zum Schluss die Schlichtheit, die Redlichkeit des Herzens bewahrt; weil er bis zum Schluss seine Pflicht erfüllt hat, von der seine Frau abgekommen war. Sein Tod ist so schön, so berührend, wie der Tod seiner Frau grauenvoll ist. Auf dem Leichnam der Frau hat der Autor die Flecken gezeigt, die das erbrochene Gift hinterlässt; es beschmutzt das weiße Leichentuch, in dem sie bestattet wird, er wollte daraus einen Gegenstand des Ekels machen; doch es gibt einen Menschen, der bewunderungswürdig ist, das ist der Ehemann, am Rand dieses Grabes. Es gibt einen Menschen, der groß ist, bewunderungswürdig, dessen Tod erhaben ist, das ist der Ehemann, der, nachdem er gesehen hat, wie durch den Tod seiner Frau nacheinander alles zerbricht, was er an Illusionen noch im Herzen trug, in Gedanken seine Frau unterm Grabstein küsst. Bewahren Sie ihn bitte in Ihrem Gedächtnis, der Autor hat sich hinweggesetzt – Lamartine hat es ihm gesagt – über das Erlaubte, um den Tod der Frau grauenvoll zu gestalten und die Sühne noch furchtbarer. Der Autor hat es verstanden, die ganze Anteilnahme auf den Mann zu versammeln, der nicht abgewichen war von der Richtschnur der Pflicht, der seinen mittelmäßigen Charakter behalten hat, sicher, der Autor konnte seinen Charakter nicht ändern; aber auch die ganze Großzügigkeit seines Herzens, und er hat alles Grauen auf den Tod der Frau gehäuft, die ihn betrogen, zugrunde gerichtet hat, die sich Wucherern ausgeliefert hat, die falsche Wechsel in Umlauf gebracht hat und schließlich im Selbstmord endete. Wir werden sehen, ob er natürlich ist, der Tod dieser Frau, die, hätte sie nicht das Gift gefunden, um Schluss zu machen, zerbrochen wäre am maßlosen Unglück, das sie erdrückte. Das also hat der Autor gemacht. Sein Buch würde nicht gelesen werden, hätte er es anders gemacht, hätte er nicht, um zu zeigen, wohin eine so gefährliche Erziehung wie die der Madame Bovary führen kann, die bezaubernden Bilder und kraftvollen Gemälde angefertigt, die man ihm vorwirft.
    Monsieur Flaubert betont ständig die Überlegenheit des Ehemanns über die Frau, und bitte, was für eine Überlegenheit? Die der erfüllten Pflicht, während Emma davon abweicht! Und dann kommt sie auf die schiefe Bahn dieser schlechten Erziehung, gerät sie nach der Ballszene an ein Kind. Léon, unerfahren wie sie. Sie wird mit ihm herumkokettieren, aber sie wird es nicht wagen, weiter zu gehen; nichts wird geschehen. Danach erscheint Rodolphe, der sie nehmen wird, diese Frau. Nachdem er sie einen Augenblick angeschaut hat, sagt er sich: Sie ist hübsch, diese Frau! und sie wird ihm gehören, denn sie ist leichtfertig und unerfahren. Was den Fehltritt angeht, lesen Sie noch einmal die Seiten 42, 43 und 44. Zu dieser Szene habe ich Ihnen nur ein Wort zu sagen, es gibt keine Einzelheiten, keine Beschreibung, kein Bild, das uns den Aufruhr der Sinne malt; ein einziges Wort zeigt auf den Fehltritt: »sie ergab sich«. Ich bitte Sie außerdem, so freundlich zu sein und die Einzelheiten über den Fehltritt der Clarissa Harlowe nachzulesen, der meines Wissens in keinem schlechten Buch beschrieben wurde. Monsieur Flaubert hat Lovelace durch Rodolphe ersetzt und Clarissa durch Emma. Vergleichen Sie die beiden Autoren und die beiden Werke; Sie werden den Wert ermessen.
    Aber hier stoße ich auf die Entrüstung des Herrn Staatsanwalts. Er ist empört, weil die Reue nicht sogleich nach dem Fehltritt kommt, weil sie, anstatt Bitterkeit darüber auszudrücken, sich zufrieden sagt: »Ich hab einen Geliebten.« Aber der Autor wäre nicht in der Wahrhaftigkeit, würde er in dem Augenblick, wo der Kelch noch die Lippen berührt, die ganze Bitterkeit des berückenden Tranks spüren lassen. Wer schriebe, wie es dem Herrn Staatsanwalt vorschwebt, der könnte moralisch sein, aber er würde etwas sagen, das nicht in der Natur ist. Nein, nicht im Augenblick der ersten Schuld rührt sich das Gefühl von der Schuld; dann würde sie nicht begangen. Nein, nicht im Augenblick, da sie in der berauschenden Illusion gefangen ist, kann die Frau durch ebendiesen Rausch vor der ungeheuren Schuld gewarnt werden, die sie begangen hat. Sie nimmt nur die Trunkenheit mit nach

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