Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
Hause; sie kehrt heim, glücklich, strahlend, in ihrem Herzen singt sie: »Endlich, ich hab einen Geliebten.« Aber dauert das lange? Sie haben die Seiten 424 und 425 gelesen. Zwei Seiten danach, wenn ich bitten darf, auf Seite 428, zeigt sich das Gefühl des Ekels vor dem Geliebten noch nicht, aber sie steht bereits unter dem Eindruck der Furcht, der Unruhe. Sie prüft, sie beobachtet, sie möchte Rodolphe niemals aufgeben:
»Etwas, das stärker war als sie selbst, trieb sie zu ihm, und eines Tages, als er sie überraschend auftauchen sah, verzog er das Gesicht wie jemand, der gestört wird.
›Was hast du nur?‹ fragte sie. ›Bist du krank? Sprich!‹
Und schließlich erklärte er mit ernster Miene, ihre Besuche grenzten an Leichtsinn und sie werde sich kompromittieren.
Allmählich jedoch wurde sie von Rodolphes Ängsten angesteckt. Die Liebe hatte sie betört in der ersten Zeit, und sie hatte an nichts anderes gedacht. Doch nun, da diese ihrem Leben unentbehrlich war, fürchtete sie, etwas von ihr einzubüßen, oder dass sie vielleicht getrübt werden mochte. Wenn sie von ihm kam, schweiften ihre Blicke auf dem Heimweg bang umher, spähten nach jeder Gestalt, die am Horizont vorbeihuschte, und nach jeder Dachluke im Dorf, von der man sie entdecken konnte. Sie lauschte auf jeden Schritt, jeden Ruf, jedes Klappern eines Pfluges; und sie hielt inne, bleicher und zittriger als das Pappellaub, das über ihrem Kopf schaukelte.«
Daraus können Sie ersehen, sie täuscht sich nicht; sie spürt, dass etwas nicht so ist, wie sie es erträumt hatte. Nehmen wir die Seiten 433 und 434, das wird Sie noch mehr überzeugen.
»Wenn die Nacht regnerisch war, suchten sie Zuflucht im Sprechzimmer, zwischen Schuppen und Pferdestall. Sie entzündete einen der Kerzenleuchter aus ihrer Küche, den sie hinter Büchern versteckt hatte. Rodolphe machte es sich bequem, als wäre er hier zu Haus. Aber der Anblick von Bücherschrank und Schreibtisch, kurzum des ganzen Zimmers, erregte seine Heiterkeit; und er konnte nicht anders, als ständig Witze über Charles zu reißen, die Emma peinlich waren. Sie hätte sich gewünscht, ihn ernster zu sehen und gelegentlich sogar dramatischer, wie einmal, als sie draußen auf dem Gartenweg Schritte zu hören glaubte, die näher kamen.
›Da ist jemand!‹ sagte sie.
Er löschte das Licht.
›Hast du deine Pistolen?‹
›Wozu?‹
›Na … um dich zu verteidigen‹, erwiderte Emma.
›Gegen deinen Mann? Ach! der arme Kerl!‹
Und Rodolphe beendete seinen Satz mit einem Schnipser, der heißen sollte: ›Den zerquetsch’ ich wie eine Fliege zwischen den Fingern.‹
Sie staunte über seine Kühnheit, obwohl sie darin Taktlosigkeit und naive Rüpelei spürte, die sie empörten.
Rodolphe dachte lange nach über diese Pistolengeschichte. Wenn sie im Ernst gesprochen hatte, war das ganze höchst lächerlich, dachte er, ja sogar abstoßend, denn er hatte beileibe keinen Grund, den guten Charles zu hassen, schließlich wurde er nicht, wie man so schön sagt, von Eifersucht verzehrt; – und diesbezüglich hatte Emma einen feierlichen Eid geschworen, den er ebenfalls nicht sehr geschmackvoll fand.
Außerdem wurde sie arg gefühlsselig. Miniaturbilder waren ausgetauscht worden, man hatte sich büschelweise Haare abgeschnitten, und nun verlangte sie einen Ring, einen richtigen Ehering, zum Zeichen ewiger Verbundenheit. Oft erzählte sie von den Abendglocken oder den Stimmen der Natur; dann wieder sprach sie von ihrer Mutter und auch von der seinen.«
Sie langweilte ihn schließlich.
Dann, auf Seite 453: »Er (Rodolphe) schenkte ihr nicht länger süße Worte, die sie zu Tränen rührten, und keine stürmischen Zärtlichkeiten, die sie um den Verstand brachten; sodass die große Liebe, in der sie völlig aufging, unter ihr zu schwinden schien wie das Wasser eines Flusses, der in seinem Bett versickert, und sie erblickte den Schlamm. Sie wollte es nicht glauben; sie wurde noch anschmiegsamer; und Rodolphe verbarg immer weniger seine Gleichgültigkeit.
Sie wusste nicht, ob es sie reute, dass sie ihm nachgegeben hatte, oder ganz im Gegenteil, ob sie nicht wünschte, ihn noch inniger zu lieben. Das demütigende Gefühl der eigenen Schwäche wurde zu Groll, den nur die Lust milderte. Es war nicht Anhänglichkeit, es war wie eine ständige Verführung. Er beherrschte sie. Fast machte ihr das Angst.«
Und Sie fürchten, Herr Staatsanwalt, dass junge Frauen so etwas lesen! Ich bin weniger ängstlich,
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