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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Ehe.«
    Schalheit der Ehe! Derjenige, der das ausgeschnitten hat, hat gesagt: »Wie bitte, da ist ein Herr, der sagt, in der Ehe gibt es nur Schalheit! Das ist ein Angriff auf die Ehe, das ist ein Verstoß gegen die Moral!« Geben Sie zu, Herr Staatsanwalt, dass man mit kunstvoll hergestellten Ausschnitten in puncto Anschuldigung weit gehen kann. Was hat der Autor als Schalheit der Ehe bezeichnet? Die Monotonie, vor der Emma sich gefürchtet hatte, vor der sie fliehen wollte und die sie im Ehebruch ständig von neuem fand, was ja gerade die Enttäuschung war. Sie sehen also, wenn man, anstatt Satzteile und Wörter auszuschneiden, liest, was vorangeht und was folgt, bleibt von der Anschuldigung nichts übrig; und Sie verstehen wohl, dass mein Mandant, der seine Gedanken kennt, ein wenig empört sein muss, wenn er sie auf diese Weise entstellt sieht. Weiter:
    »Sie war seiner so überdrüssig wie er ihrer müde. Emma fand im Ehebruch von neuem alle Schalheit der Ehe.
    Doch wie konnte sie ihn loswerden? Auch wenn sie sich erniedrigt fühlte durch die Erbärmlichkeit eines solchen Glücks, sie hing an ihm aus Gewöhnung oder Verderbtheit; und jeden Tag klammerte sie sich verbissener fest, erstickte jede Seligkeit durch maßlose Wünsche. Sie gab Léon die Schuld an ihren enttäuschten Hoffnungen, als habe er sie verraten; und sie sehnte sogar eine Katastrophe herbei, die ihre Trennung erzwang, denn ihr fehlte der Mut zu jedem Entschluss.
    Trotz allem schrieb sie weiter verliebte Briefe, kraft jener Vorstellung, dass eine Frau ihrem Liebhaber immerzu schreiben muss.
    Beim Schreiben jedoch sah sie einen anderen Mann, ein Phantom, entsprungen aus ihren brennendsten Erinnerungen.« Das Folgende wird nicht mehr inkriminiert: »Danach sank sie nieder, entkräftet, zerschlagen; denn solche Anfälle nebulöser Liebe erschöpften sie mehr als wüste Ausschweifungen.
    Sie fühlte nun einen ständigen, allumfassenden Schmerz in den Gliedern. … sie erhielt Stempelpapier, das sie kaum ansah. Sie hätte am liebsten nicht mehr gelebt oder dauernd geschlafen.«
    Ich nenne das eine Verführung zur Tugend durch den Abscheu vor dem Laster, was der Autor selbst verkündet und was sogar der unaufmerksamste Leser nicht übersehen kann, ohne ein wenig bösen Willen.
    Und jetzt noch etwas, damit Sie sehen, über was für eine Sorte Mann Sie zu urteilen haben. Nicht um Ihnen zu zeigen, welche Art von Rechtfertigung ich hernehmen kann, sondern um Ihnen zu zeigen, ob Monsieur Flaubert die laszive Farbe gebraucht hat und wo er seine Inspirationen hernimmt, erlauben Sie mir, dieses Buch hier auf Ihren Schreibtisch zu legen, das er benutzt hat und von dessen Seiten er sich inspirieren ließ, um diese Begierde zu schildern, die Verführbarkeit dieser Frau, die das Glück in sträflichen Vergnügungen sucht, es dort nicht finden kann, die weitersucht, die immer verzweifelter sucht und es niemals findet. Wo hat Flaubert seine Inspirationen hergenommen, meine Herren? Aus diesem Buch hier; hören Sie:
    » ILLUSION DER SINNE .
    Wer immer sich also an das Sinnliche klammert, muss notgedrungen von Gegenstand zu Gegenstand irren und täuscht sich sozusagen, indem er den Ort wechselt; genauso ist die Begierde, das heißt, die Liebe zu den Vergnügungen, immer wechselhaft, weil ihre ganze Glut dahinsiecht und stirbt in der Dauer, und nur der Wechsel lässt sie wiederaufleben. Was also ist das Leben der Sinne anderes als ein Hin und Her von der Gier zum Ekel und vom Ekel zur Gier, wobei die Seele stets unsicher schwankt zwischen der Glut, die schwindet, und der Glut, die sich erneuert? Inconstantia , concupiscentia . Daraus besteht das Leben der Sinne. Doch in diesem fortwährenden Hin und Her zerstreut man sich freilich durch das Bild einer umherirrenden Freiheit.«
    Das also ist das Leben der Sinne. Wer hat das gesagt? Wer hat die Worte geschrieben, die Sie soeben hörten, über diese ständige Erregung und Glut? Wie heißt das Buch, in dem Monsieur Flaubert Tag und Nacht blättert und durch das er sich inspirieren ließ zu den vom Herrn Staatsanwalt inkriminierten Stellen? Es ist Bossuet! Was ich Ihnen soeben vorgelesen habe, ist ein Bruchstück aus einer Rede Bossuets über die sträflichen Vergnügungen . Ich werde Ihnen zeigen, dass all diese inkriminierten Stellen nichts anderes sind als, nein, nicht Plagiate – wer sich einen Gedanken aneignet ist kein Plagiator – , sondern nichts anderes als Nachahmungen Bossuets. Wollen Sie noch ein Beispiel? Hier

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